"Angst habe ich auf der Streif, nicht vor dem Tod"
Ruhig, nachdenklich, gelassen. Am Rande des Ski-Spektakels von Kitzbühel hat Toni Sailer (72) der Abendzeitung ein Interview gegeben. Das Ski-Idol über seine Erkrankung und die innere Einstellung zum Leben
VON FLORIAN KINAST AZ: Grüß Gott, Herr Sailer, wie geht es Ihnen? Die Menschen in Kitzbühel haben große Angst um Sie. TONI SAILER: Das brauchen sie nicht zu haben. Mir geht es sehr gut. Ich bin gerade zu Hause, lese Zeitung, trinke ein Bier. Es läuft alles bestens. Bei einer Ehrung für Olympiasieger Ernst Hinterseer fehlten Sie aber. Es wurde an jenem Abend gesagt, Sie seien schwer erkrankt, dann stand zu lesen, Sie hätten Krebs und hätten sich in Innsbruck einer Chemotherapie unterziehen müssen. In Innsbruck war ich, aber das war schon im November. Das habe ich hinter mir. Es ist ein Problem, aber schauen Sie, ich bin 72. Da kann es zu solchen Problemen schon einmal kommen. Das ist doch ganz normal. Diese Dinge kommen immer wieder mal vor, was kannst da tun dagegen? Gar nichts. Ich weiß nicht, was ich schon alles gehabt habe. 1965 hatte ich mal eine schwere Lungenembolie, da hab ich wirklich mit dem Tod gerungen. Da war ich 30 und lag dann zwölf Wochen in Ulm im Spital. Für euch Zeitungsleut' wäre das damals sicher eine Riesenstory gewesen, wenn ich damals gestorben wäre. Aber jetzt? Ist doch alles in Ordnung.
Sie klingen sehr gefasst. Ich habe doch auch ein wunderbares Leben. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod. Wenn er kommt, dann kommt er. Das hat mit der inneren Einstellung zu tun. Meine ist da sicher anders als bei vielen anderen Menschen. Viele andere Menschen erzählen ihre Krankheitsgeschichte der ganzen Welt. Sie reden nur sehr ungern darüber. Ich will die Mitmenschen damit auch nicht belasten, ich mag es auch nicht, zu sagen, ich hätte etwas besiegt. Wie gesagt, mit 72 hast du nun mal solche Probleme. Die Frage ist eben, wie stehst du zum Leben. Und wie stehen Sie dazu? Mein Credo war schon immer, dass es keinen Sinn macht, Angst zu haben. Angst vor einer schlimmen Krankheit, die vielleicht eines Tages mal kommen könnte. Wie viele Menschen leben tagein tagaus in dieser Furcht. Die haben 40 Jahre lang Angst, dass sie eines Tages mal schwer krank werden. Dann sind sie 40 Jahre lang pumperlgsund, und auf einmal werden sie dann von einem Motorradl über den Haufen gefahren. Dann war doch die ganze Angst ein Blödsinn. Das meine ich damit, dass ich eine andere Einstellung habe. Genieße den Tag, lebe den Tag.
"Meine Frau war trotz ihrer Krankheit immer strahlend"
Sie haben aber auch schon erlebt, wie es ist, einen lieben Menschen durch Krebs zu verlieren. Ihre Frau Gaby, mit der Sie 24 Jahre lang verheiratet waren und die vor gut sieben Jahren an Krebs starb. Trotz dieser schweren und fürchterlichen Krankheit war meine Frau immer strahlend. Sie wirkte zufrieden und glücklich, und wenn sie am Morgen beim Frühstückstisch saß, dann war sie immer sauber hergerichtet. Sie besaß Würde. Ja, auch wenn ich in dieser Zeit natürlich fast zugrunde gegangen wäre. Wovor sollte ich da jetzt Angst haben. Kennen Sie Angst? Angst ist das Schlimmste, was man haben kann, aber sie lässt sich nicht immer vermeiden. Angst ist eine natürliche Sache. Angst hatte ich früher beim Skifahren, bei der Abfahrt. Da hatten wir noch nicht die ganzen Hochsicherheitsnetze und Fangzäune. Da sind wir zwischen Drahtzäunen und Strohsäcken herunter gerast. Das Schwierige ist: Wie kalkuliere ich die Geschwindigkeit, kann ich das Risiko richtig einschätzen? Das macht die Sache so schwierig, darum fährt bei einer gefährlichen Abfahrt natürlich die Angst mit. Angst habe ich auf der Streif, aber nicht vor dem Tod. Weil sich ein Sturz vermeiden lässt, der Tod nicht. Das Rennen auf der Piste das können Sie vielleicht noch beeinflussen. Der Tod kommt so oder so. Fragt sich nur, wann. Aber darüber lohnt es sich auch nicht, nachzudenken. Woher will ich am Morgen wissen, was am Abend ist? Das sind alles mühselige Spekulationen. Ich kann natürlich etwas dafür tun, dass es mir länger gut geht. Ich kann regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen. Das machen aber auch nicht viele. Weil sie Angst haben, von einer schlimmen Krankheit zu erfahren. Sie fürchten sich davor, damit konfrontiert zu werden. Dabei ist es so wichtig, die Medizin wird ja auch immer besser. Man muss auf die Warnsignale hören. Dafür darf man sich nicht schämen.
"Da braucht es nicht noch einen, der herumsteht"
Nach Ihrem Rücktritt als Rennleiter des Hahnenkamm-Rennens vor wenigen Jahren stehen Sie wenigstens nicht mehr unter großem Stress. Oder würde es Sie nicht wieder reizen, mit anzupacken? Nein, jetzt muss ich das nicht mehr machen. Da sind genug oben am Start, genug Helfer und Organisatoren, da braucht es nicht noch einen, der da herumsteht. Da habe ich nichts mehr verloren. Ich habe alles gesehen, wenn sie meinen Rat haben wollen, stehe ich gerne zur Verfügung. Aber ich dränge mich nicht mehr auf. Müssen Sie bald wieder in die Klinik nach Innsbruck? Ja sicher, da müssen die Dinge halt wieder kontrolliert werden. Aber die letzten Befunde waren wirklich sehr gut. Machen Sie sich keine Sorgen um mich.
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