Andreas Scheuer: "Die Bürger sind von Balkonien genervt"
München - Der Passauer Andreas Scheuer (43) ist seit vier Jahren Generalsekretär der CSU. Mit der AZ hat er über den natsehenden Parteitag, Bundeskanzlerin Angela Merkel und den CSU-Effekt.
AZ: Herr Scheuer, was können wir vom Parteitag erwarten?
Andreas Scheuer: Eine klare Richtungsbestimmung für das neue Jahr, nicht nur was die personelle Aufstellung angeht. Auf Bundesebene geht es darum, eine stabile Bundesregierung zu bilden. Und es geht darum, gut in das Landtagswahljahr zu starten. Jedem muss klar sein: Die Sonderstellung Bayerns gibt es nur, weil es auch eine politische Sonderstellung der CSU gibt.
Nach einem Jahr Pause und davor dem Eklat auf der Parteitagsbühne wird CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder zum CSU-Parteitag kommen. Was erwarten Sie sich von ihr?
CDU und CSU verhandeln geschlossen. Das galt gilt auch für die Sondierungen mit der SPD. Wir wollen unserer Anhängerschaft zeigen, dass wir aus dem Wahlergebnis, das ein Denkzettel war, die richtigen Lehren gezogen haben. Die Welt braucht ein stabiles Deutschland – da gibt es genug zu tun.
Der Streit zwischen den Schwesterparteien hat Spuren hinterlassen. Wie glaubwürdig ist die neue Einigkeit?
Die CSU hat nach der Wahl immer gesagt, ein "Weiter so" darf es nicht geben. Wir haben mit der CDU viel über Ursachen gesprochen. Das Regelwerk zur Migration ist ein Ergebnis der Gespräche. Bei den Jamaika-Verhandlungen haben wir unsere Positionen gehalten, auch mit unterschiedlichen Partnern am Verhandlungstisch.
Horst Seehofer bleibt Parteichef, Markus Söder wird Ministerpräsident. Warum sollte ihre Basis das mittragen?
Die Erleichterung über die Entscheidung schafft Geschlossenheit. Die Entscheidung des Ministerpräsidenten, einen Zukunftsplan vorzulegen, mit breiter personeller Aufstellung, das zeugt von persönlicher Größe. Jeder weiß, wie sehr wir von der Erfahrung und Durchsetzungskraft von Horst Seehofer profitieren. Somit ist diese Aufstellung ein sehr gutes Angebot für die Bürger.
Aber das Gegrummel an der Basis ist unüberhörbar. Viele vermissen eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Ursachen der Bundestagswahlschlappe. Wann kommt die?
Wir haben uns doch sehr intensiv damit auseinandergesetzt. Gleich nach der Wahl war die Analyse seitens der CSU schonungslos. Wir wissen, woran es gelegen hat – am Bundestrend einer politischen Unzufriedenheit. Die Ursache liegt in Berlin. Jetzt schauen wir nach vorne. Rückschau hilft nichts.
In Umfragen legt die CSU zu und steht bei 40 Prozent. Ist das schon der Söder-Effekt?
Das ist der CSU-Effekt der Geschlossenheit. Wir haben unsere zukünftige Mannschaftsaufstellung im Miteinander entschieden. Wir zeigen, dass wir für unsere Heimat jeden Tag hart arbeiten. Bei den Bildungsausgaben ist Bayern Klassenbester in Deutschland. Wir haben geordnete Finanzen und fast Vollbeschäftigung. Die Umfrage zeigt eine positive Tendenz, aber sie ist auch Aufforderung, noch mehr zu tun.
KoKo? "Wir sind nicht im politischen Versuchslabor"
Aber für die absolute Mehrheit reicht das noch nicht.
Abgerechnet wird am Wahltag. Wir müssen Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückgewinnen. Für gute Bilanzen wird man nicht gewählt, sondern man muss ein Zukunftsangebot auf den Tisch legen – das werden wir machen. Aber der Trend stimmt.
Nun geht es um Gespräche zur Regierungsbildung mit der SPD. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass das klappt?
Das liegt an der SPD. CDU und CSU haben ihr Interesse mehrfach untermauert, dass wir eine stabile Regierung für Deutschland anstreben. Jetzt muss die SPD die notwendigen Schritte einleiten.
Welche Lehren ziehen Sie aus den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen?
Der Abbruch war schade, weil die CSU sich an vielen Stellen durchgesetzt hat. Die, die vom Verhandlungstisch aufgestanden sind, sind verantwortlich dafür, dass beispielsweise gute Entscheidungen zum Abbau des Soli oder zur besseren Bezahlung von Pflegekräften nun erst einmal nicht kommen. Jetzt brauchen wir schnellstens eine Einigung. Die Bürger sind von diesem Balkonien genervt.
Müsste es denn eine GroKo sein oder dürfte es auch eine KoKo werden?
KoKo ist Kokolores. Rosinenpickerei und das Abschieben von unbequemen Themen in eine politische "Bad Bank" mit wechselnden Mehrheiten, das wird nicht gehen. Wir sind nicht im politischen Versuchslabor. Da hat die SPD jetzt eine riesige Verantwortung.
Umfrage: CSU bei 40 Prozent
Nachdem offene Personalfragen geklärt sind, bekommt die CSU mehr Oberwasser bei den Wählern. Wenn am Sonntag Landtagswahl wäre, käme die CSU laut Insa-Umfrage für die Bild auf 40 Prozent – und damit auf drei Prozentpunkte mehr als im Vormonat. Dies liegt laut Demoskopen am "Söder-Effekt". "Die neue Einigkeit stärkt die CSU."
Zulegen können auch die Grünen (12 Prozent). Die SPD kommt auf 15 Prozent, die AfD auf 12, die FDP und die Freien Wähler je auf 7.