An der Hauptschlagader
NÜRNBERG - Der gesamtfränkische Komponist Werner Heider wird am Neujahrstag 80 Jahre alt und kann sich immer noch mächtig ärgern über den Klassik-Betrieb
Das Schicksal hat eben Sinn für Metaphern: Werner Heider, der gesamtfränkische Komponist (in Fürth geboren, in Erlangen lebend, in Nürnberg mit dem ars nova ensemble im 41. Jahr aktiv) ist zum Jahreswechsel geboren. Wo die Zeitrechnung neu ansetzt, war er bestens platziert, denn seine – alles in allem –6jährige Karriere war immer aufs Unerhörte fixiert. Und wie man es zum Klingen bringen kann.
Dabei bleibt es, denn da er lebenslang „völlig freischaffend“ blieb und deshalb „niemals pensioniert werden kann“, hat er sich vorgenommen „bis zum Ende des Lebens zu komponieren“. Am 1. Januar wird Werner Heider 80 Jahre alt.
Er ist der letzte Überlebende einer dreiköpfigen Nürnberger Musiker-Legende, zu der Werner Jacob (St.Sebald, Orgelwoche) und Klaus Hashagen (BR Studio Franken) gehörten. Letzterer, der in der Wallensteinstraße noch ohne Quotenzwang die Nischen für unbequemere Kunst öffnen konnte, regte 1968 die Gründung des ars nova ensembles an. Es feierte im Vorjahr das Jubiläum als dienstältestes Kollektiv für Bio-Klangkultur - direkt vom Erzeuger. 150 Werke zeitgenössischer Komponisten, ein Drittel davon als Uraufführung, wurden in diesem Rahmen vorgestellt.
Dass er als Voraussetzung dringend nötig ist, weiß Heider heute besser als je zuvor: „Es ist gar nicht so schwierig, ein halbwegs anständiges Musikstück zu schreiben, viel schwieriger ist es, Leute zu finden, die es hören wollen.“ Und da redet er auch 2009 über seine Arbeitsergebnisse fast wie ein Psychiater über Patienten: „Musik, die gehört werden will“.
„Schlagzeug ist das wichtigste Instrumente des 20. Jahrhunderts“
Er selber hat sie als Kind bei Hausmusik in der Verwandtschaft gehört, ist heute noch stolz drauf, dass er im Alter von vier Jahren zu Weihnachten statt der üblichen Spielzeugsoldaten ein Schlagzeug wünschte (was er nach wie vor für „das wichtigste Instrument des 20.Jahrhunderts“ hält) und konnte mit 14 bereits auf ein Dutzend eigener Werke blicken.
Sie waren ihm auch Trost, denn die Schule hat er nur als Institution, in der „die Fantasie abgeblockt wird“ , in Erinnerung. Das Gegenteil davon wurde zu seinem Lebensprinzip: „Ich tauge nur, wenn man mich tun lässt, woran ich glauben kann.“
Die Kammermusik ist ein Schwerpunkt in Heiders Schaffen von mehr als hundert veröffentlichten Werken, als „nobelste Aufgabe" sieht er es, das Solo-Instrument „als Hauptschlagader" in Bewegung zu setzen. Er selber ist der Öffentlichkeit freilich eher als Pianist ein Begriff – etwa wenn er im Neuen Museum unter dem Titel „Mein Klavier und ich“ dem Kunst-Flaneur auflauerte.
Eine Verbindung, die Logik hat, denn Heider interessiert sich für alle Kultur-Sparten, verarbeitete Einflüsse von Miles Davis und Paul Klee, widmete Werner Knaupp ein Stück und schuf ein anderes nach Hans Magnus Enzensberger.
Seine Komposition „Septemberwege" brachte es unter Jutta Czurdas Regie am Fürther Theater zu einer eindrucksvollen Umsetzung in die „Bewegungs-Art“, aber an der Oper ist er gescheitert. Pläne u.a. mit dem Nürnberger Schriftsteller Godehard Schramm blieben im Vorfeld stecken.
Und als im AZ-Interview zum 70. Geburtstag die tückische Frage auftauchte, was er, der Avantgardist mit der Liebe zum Jazz („dem echten, nicht der angejazzten Tanzmusik“) denn von Musicals halte, kam die überraschende Antwort: „Würde ich sofort schreiben, wenn es die passende Konstellation dafür gibt.“
Ärgern kann sich Werner Heider heute so heftig wie früher, auch da gibt es keine Altersmilde. Immer wieder geißelt er die Standard-Programme des Klassik-Betriebs, die mangelnde Neugier, die Bequemlichkeit der Stars. Die aktuelle Programmatik der beiden Nürnberger Orchester ist ihm gar nicht geheuer. Er wird ihnen den berechtigten Hinweis darauf auch in Zukunft nie ersparen.
Aber jetzt wird erst mal angemessen gefeiert. In einer Kuschelecke des Bayerischen Rundfunks (BR Klassik morgen, 22.05 Uhr im Gespräch mit Dirk Kruse), aber vor allem mit öffentlichen Konzerten. Musik, die stets ihren eigenen Weg sucht.. Werner Heider live, ob mit oder ohne Musik, ist einfach nicht zu übertreffen.
Kein Wunder, sein Prinzip lautet: „Man muss sich in jeder Hinsicht bemerkbar machen.“ Auch dazu herzlichen Glückwunsch! Dieter Stoll
Konzerte am 6. Januar um 17 Uhr in der Neustädter Kirche Erlangen (mit Orgel, Trompete,Viola und Perkussion-Quartett) sowie jeweils um 11 Uhr am 24.1. im Erlanger Redoutensaal und am 31.1. im Gluck-Saal des Nürnberger Opernhauses. Dort dirigiert Werner Heider selbst die Philharmoniker, das Nürnberger Akkordeon-Sextett und Sopranistin Monika Teepe
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