Ampel plant Wahlrechtsreform: Fliegt die CSU 2025 aus dem Bundestag?

Berlin/München - Kommt die Wahlrechtsreform zur Verschlankung des Bundestages so, wie sie die Ampel-Fraktionen vorgeschlagen haben, wird es ungemütlich für die CSU: Ausgleichsmandate, von denen die Christsozialen aktuell über elf verfügen, wären Geschichte.
Läuft es ganz arg, könnte die Partei von Markus Söder sogar komplett aus dem Berliner Parlament fliegen. Nämlich dann, wenn sie bei der Bundestagswahl 2025 deutschlandweit hochgerechnet weniger als fünf Prozent der Stimmen einfährt.
Wahlrechtsreform: Große Sorge im Freistaat Bayern
Ursächlich wäre dann die vorgesehene Abschaffung der Grundmandatsklausel. Diese besagt bislang, dass Parteien auch dann in den Bundestag einziehen, wenn sie zwar weniger als fünf Prozent erreicht, aber mindestens drei Direktmandate errungen haben.
Entsprechend groß ist die Sorge im Freistaat: Es könnte dazu kommen, dass von mehr als 40 direkt gewählten CSU-Bundestagskandidaten kein einziger mehr in den Bundestag einziehen könnte, sagte Ministerpräsident Söder am Dienstag. Wenn die Existenzberechtigung einer Partei auf diese Weise in Frage gestellt werde, "ist das schon ein Hammer".
Völlig von der Hand zu weisen ist ein solches Szenario nicht. Zwar schaffte die CSU bislang stets den Sprung über die Fünfer-Hürde, 2021 war es mit 5,2 Prozent allerdings denkbar knapp.
Fällt die CSU unter die Fünf-Prozent-Hürde?
Die christsozialen Sorgen seien durchaus berechtigt, bestätigt Jörg Siegmund von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing der AZ. "Verliert die CSU noch ein paar Wähler, läuft sie Gefahr, tatsächlich unter die Fünf-Prozent-Hürde zu rutschen." Weil nach den Reformplänen der Ampel ein Anspruch auf Sitze im Bundestag nur noch aufgrund des Zweitstimmenergebnisses bestünde, nutzten ihr dann sämtliche Direktmandate nichts.
Es gäbe für dieses Dilemma zwar einen Ausweg, sagt der Wahl-, Parteien- und Parlamentarismusforscher: "Die CSU könnte über verbundene Listen gemeinsam mit der CDU antreten." Doch das wolle die kleinere der schwarzen Schwestern nicht. "Die CSU möchte sich auch weiterhin als bayerische Kraft präsentieren."
Federn lassen wird die Partei, die bislang nur im Freistaat wählbar ist, allerdings auch, wenn sie den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde erneut schafft – immer vorausgesetzt, die Vorstellungen der Bundesregierung werden Realität: Eine Streichung der Überhangmandate hätte nämlich zur Folge, dass die Christsozialen nur noch so viele Sitze im Bundestag für sich beanspruchen dürften, wie ihnen laut Zweitstimmenergebnis zustünden. Wäre die Zahl der direkt gewählten Kandidaten höher, würden diejenigen mit den schwächsten Ergebnissen wohl nicht berücksichtigt.
Loos zur AZ: Reform könnte zu Demokratie-Verdrossenheit führen
Hätte es diese Regelung schon 2021 gegeben, wäre unter den elf Wahlsiegern ohne Mandat nicht nur der frühere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gewesen. Auch die drei Münchner Direktkandidaten Stephan Pilsinger, Wolfgang Stefinger und Bernhard Loos hätten zu den Betroffenen gezählt.
Das sorgt natürlich für scharfe Kritik. Er halte die geplante Reform für falsch, "weil die Stimmen der Wählerinnen und Wähler in den Wahlkreisen zum Teil ignoriert werden beziehungsweise das eigentliche Wählervotum verdreht wird oder der Wahlkreis gar nicht vertreten sein wird", so Bernhard Loos zur AZ. Das führe zu Wahl- und Demokratie-Verdrossenheit vor Ort.

Und Wolfgang Stefinger findet, die geplante Neuerung der Ampel entpuppe sich mehr und mehr als Anti-Bayern-Projekt. "Man versucht gezielt, die CSU zu schwächen, weil man das Alleinstellungsmerkmal einer eigenständigen Landespartei mit bundes- und europapolitischer Bedeutung ausschalten will." Es sei ein demokratischer Super-GAU, dass die Ampel mit der Abschaffung der Grundmandatsklausel auch nur die Möglichkeit schaffe, dass die drittgrößte Partei Deutschlands aus dem Bundestag fliegen könnte, obwohl sie die überwältigende Mehrheit der bayerischen Wahlkreise direkt gewinnt.
Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sprach sich am Dienstag dafür aus, die Pläne nach der Bundestagsentscheidung vom Verfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen zu lassen.
Die Chancen auf einen Erfolg im Sinne der Bayern schätzt Politologe Jörg Siegmund allerdings gering ein. Zwar sei man vor Gericht und auf hoher See bekanntlich allein in Gottes Hand, "aber ich sehe keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Entwurf der Ampel". Das Wahlrecht, sagt der Experte, sei im Grundgesetz nämlich gar nicht geregelt.