Amokläufer Georg R.: Darum wollte er töten

Die Experten der Polizei konnten gelöschte Daten auf seinem Computer wieder lesbar machen: das hasserfüllte Tagebuch eines gestörten Menschen.
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Fühl sich ungerecht behandelt, ausgegrenzt, missverstanden: Amokläufer Georg R. (18) aus Ansbach.
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Ihr wurde der Kopf mit einer Axt zertrümmert: Mareike (15).
abendzeitung 3 Ihr wurde der Kopf mit einer Axt zertrümmert: Mareike (15).
Von einem Molotov-Cocktail lebensgefährlich verletzt: Annika (15).
abendzeitung 3 Von einem Molotov-Cocktail lebensgefährlich verletzt: Annika (15).

Die Experten der Polizei konnten gelöschte Daten auf seinem Computer wieder lesbar machen: das hasserfüllte Tagebuch eines gestörten Menschen.

ANSBACH 80 Seiten umfasst das Hass-Dokument, das die gestörte Persönlichkeit des Amokläufers von Ansbach entlarvt. Georg R. (18), der am Donnerstag im Gymnasium Carolinum ein Blutbad angerichtet hat, wollte es verschwinden lassen. Doch die Polizei konnte die gelöschte Datei auf seinem Computer wieder sichtbar machen. Jetzt kennt sie das Motiv für das unfassbare Verbrechen.

Die Art der tagebuchartigen Einträge macht deutlich, dass Georg R. ein Grenzgänger zwischen seiner persönlichen Scheinwelt und der Wirklichkeit war. Er führte einen makaberen Monolog mit einem Mädchen, das nur in seiner Phantasie existiert. „Er schildert dieser Person die Planung der Tat und sein Ziel, möglichst viele Schüler und Lehrer zu töten und das Schulgebäude niederzubrennen“, beschreibt Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger die schriftlichen Gedankenergüsse des Amokläufers.

Georg R. war von Hass beseelt. Von Hass auf die Schule, von Hass auf seine Mitschüler, von Hass auf die Gesellschaft. Sie alle hätten ihn ungerecht behandelt. Um solche Gedankengänge zu untermauern, bediente sich der Gymnasiast abenteuerlich wirkender Argumente. So schildert er, wie er während einer Busfahrt verprügelt worden sei – und keiner seiner Mitschüler ihm geholfen habe. In seinen Augen ist der fast sieben Jahre zurückliegende Vorfall ein Beweis für die Ungerechtigkeit, die er erleiden musste.

Bereits Anfang Juni schmiedete er Pläne

Zur hochexplosiven Mischung seiner Emotionen trugen nach den Erkenntnissen der Ermittler noch andere Umstände bei. „Er hätte gerne eine Freundin gehabt. Das ist ihm aber leider nicht gelungen“, sagte Oberstaatsanwältin Lehnberger auf einer Pressekonferenz. Auch das nagte an der Psyche von Georg R. Hinzu kam seine völlig unbegründete Sorge, das Abitur nicht zu schaffen – und die Angst vor einer schweren Krankheit.

Seit Monaten war Georg R. eine tickende Zeitbombe, ohne dass jemand etwas davon bemerkte. Auch das geht aus den sichergestellten Unterlagen hervor. Jürgen Krach von der Ansbacher Staatsanwaltschaft erklärte, dass Georg R. das Dokument bereits im Frühjahr angelegt habe. Eintragungen, in denen er den Amoklauf ankündigt, stammen vom April und Mai dieses Jahres. Krach: „Hier nennt er bereits die Bewaffnung, die dann auch tatsächlich zum Einsatz kam.“

Bereits Anfang Juni, so die Staatsanwaltschaft, legte sich Georg R. auf den Tattag fest, den 17. September, und den genauen Schauplatz des Verbrechens, das dritte Stockwerk des Carolinum. Auch für die Kleidung, die er dabei tragen wollte, einen schwarzen Mantel und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Made in School“ entschied er sich schon Monate vorher. Den Eintragungen ist außerdem zu entnehmen, dass das Massaker am Erfurter Gutenberg-Gymnasium mit 17 Toten für Georg R. ein „Vorbild“ gewesen ist.

Der Ansbacher Amokläufer, der gestern aus dem künstlichen Koma erwachte, aber noch nicht vernommen werden konnte, hat neun Mitschüler und einen Lehrer verletzt. Er selbst wurde, wie zwischenzeitlich feststeht, nicht von fünf, sondern nur von drei Polizeikugeln außer Gefecht gesetzt. So schnell wie möglich soll Georg R. von einem psychiatrischen Gutachter untersucht werden, um seine Schuldfähigkeit einschätzen zu können, erklärte Staatsanwältin Lehnberger.

Heute soll am Carolinum der Unterricht wieder aufgenommen werden.

H. Reister

Wie Ansbach trauert, lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Dienstag, 22. September

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