Am springenden Punkt

Der Ballett-Chef der Nürnberger Oper, Goyo Montero, hat mit „Benditos Malditos“ seinen Einstand gegeben. Der atemlose Abend zeigt , was seine Tänzer an Artistik und Energie alles drauf haben.
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Im fliegenden Einsatz: Eine von 19 Szenen, aus denen Goyo Monteros erster Nürnberger Ballett-Abend „Benditos Malditos“ entstand.
Bettina Stöß Im fliegenden Einsatz: Eine von 19 Szenen, aus denen Goyo Monteros erster Nürnberger Ballett-Abend „Benditos Malditos“ entstand.

NÜRNBERG - Der Ballett-Chef der Nürnberger Oper, Goyo Montero, hat mit „Benditos Malditos“ seinen Einstand gegeben. Der atemlose Abend zeigt , was seine Tänzer an Artistik und Energie alles drauf haben.

Dies darf man dem neuen Nürnberger Opernhaus-Ballettchef Goyo Montero anhand seiner ersten Premiere ohne Einschränkung bestätigen: Seine Compagnie kann nach der Warteschleife im Musical nicht nur – wie es ein Fan so hingerissen formulierte – mit dem MDR-Fernsehballett konkurrieren, sie hält auch der Erinnerung an die unter Ovationen zwangsverabschiedete Truppe von Daniela Kurz stand. Auch wenn sie ungefähr das Gegenteil dessen tut, was dort eine Glaubensfrage der Ästhetik war. Energiegeladen und technisch höchst beachtlich fliegen 18 Solisten durch die Sammel-Inszenierung „Benditos Malditos“ (Gesegnete Verdammte), welche aus vielen Gliedern eine choreographische Glitzer-Kette montiert, die der Sensibilität allerdings auch Würgemale beibringen kann. Das erwartungsvolle Publikum in der ausverkauften Tafelhalle nahm die mit Poesie unterfütterte Trailer-Revue, bei der man gelegentlich den Gedanken an Schlittschuhe unterdrücken musste, als Verheißung und applaudierte lang anhaltend.

Es ist eine Wende, zweifellos. Dass Goyo Montero das gedankenselige „Tanztheater“ in Nürnberg wieder zum Begriff „Ballett“ zurückholte, wird durch seine Bewegungs-Art absolut legitimiert. Klassisch geschult und am kurzen Weg zum Effekt orientiert zieht die Phantasie des Choreographen ihre Leuchtspuren durch abgedunkelte Stimmungslagen.

Über diesem Entwicklungs-Projekt, das mit den eingesetzten Materialien von spanischer O-Ton-Dichtung des Joaquín Sabina (deren Übersetzung man nachlesen muss) und denkbar weit gefächerter Musik (von Monteverdi zu Tom Waits, von John Dowland zu Franz Schubert, von Verdi zu Brel) nicht weniger als „die menschliche Stimme“ insgesamt erfassen will, steht die Reinheitslehre von „Bewegung, Licht und Musik“ wie ein Sehnsuchtsruf nach großer Kunst. Montero hatte den gleichmäßig kleinteilig zum Fanal aufgerichteten Abend aus einer erstmals 2005 realisierten Keimzellen-Idee in der nun vierten Stufe zünden lassen. Die Zusammenhänge, die er aus der Inspiration wortgewaltiger Lyrik bezieht, kommen beim deutschsprachigen Zuschauer so kaum an. Denn jener sitzt, sofern die blanke Sprachmelodie nicht magisch Zugänge zum Inhalt öffnete, später daheim und kramt in der Erinnerung nach dem passenden Bild zur kleingedruckten Eindeutschung: „Es ist besser Mönch oder Lesbe zu werden/als sich für eine Gebirglerin zu entzünden/die dich verschlingt ohne einen Happen zu probieren“. Hm, welcher der vielen Energieschübe mag dazu gepasst haben?

Die Szenenfolge funktioniert als gekonnt gelenkte Artistik mit frei verfügbarem Hintergrund. Sehenswert, wenn auch im eher sportlichen Hochleistungs-Drang verfangen, sind die abhebenden, kriechenden, kopfstehenden und kreiselnden Formationen – jede für sich, keine für alle.

Die Nähe, die in der Tafelhalle entsteht (durch Rastplätze für Akteure in der ersten Reihe betont), tröstet Freunde der versunkenen „Zooming“-Intimität. Womit eine Hängebrücke geschlagen wäre zwischen weit auseinander liegenden Tanz-Welten.

Der Chef persönlich wirbelte in einer „Romance“ spektakulär über die Bühne, ganz Artist und Kronzeuge dafür, dass der Überdruck seiner Compagnie so gemeint war wie er aussieht. Nürnbergs Ballett am springenden Punkt. Eine Vorstellung, die zeigt, was Tänzer können – aber nicht, was daraus entstehen soll. Darüber mehr ab 21. Februar unterm Balkon von „Romeo und Julia“. Dieter Stoll

Nächste Termine: 20., 29.12., 8., 15., 16.1. – Tel. 0180-5-231600.

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