"Am Anfang wollte kein Verleger meine Bücher drucken“
NÜRNBERG - AZ-Kolumnist Klaus Schamberger (67), der "Spezi“ mit Kult-Status, hat eine neue CD und den 16. Band von „Ich bitte um Milde“ herausgebracht. In einem Gespräch beschreibt er den mühsamen Weg zum Erfolg
Klaus Schamberger (67) ist Nürnbergs bekanntester Journalisten, Schriftsteller und Humorist. Als „Spezi“ hat er es weit über Nürnbergs Grenzen hinaus zum Kult-Status gebracht. Seine hintergründigen Beiträge zeichnen sich durch höchsten Unterhaltungswert aus. Charakteristisch für ihn sind sein ausgefeiltes fränkisches Sprachbild und die für Nürnberg typische, leicht pessimistische Skepsis der Bewohner, die er wie kein anderer darzustellen versteht.
AZ: Wie lange dauert denn für Sie an einem ganz normalen Wochentag der Fußmarsch von einem Ende des Hauptmarkts zum anderen?
KLAUS SCHAMBERGER: Mit Beleidigungen müssen Sie nicht gleich anfangen. Ich bin jetzt zwar im Rentenalter, aber immer noch ganz gut zu Fuß.
Das sollte ja jetzt auch keine Anspielung auf irgendwelche altersbedingten Gebrechen sein. Es geht vielmehr darum, wie oft Sie von zufällig vorbeikommenden Passanten angesprochen werden, wie viele Hände Sie schütteln müssen, wie bekannt Sie sind.
Also Bodyguards brauche ich noch nicht, um den Hauptmarkt einigermaßen sicher überqueren zu können. Angesprochen werde ich hin und wieder allerdings schon einmal.
Als Klaus Schamberger oder als Spezi?
Das ist mir ziemlich wurscht, denn es handelt sich ja in jedem Fall um die gleiche Person.
Also eine Bewusstseins-Spaltung im medizinischen Sinn liegt bei Ihnen anscheinend nicht vor. Das heißt im Klartext: Der echte Klaus Schamberger identifiziert sich vollkommen mit der Kunstfigur Spezi?
Die Zwei haben schon viel miteinander zu tun. Das, was den Klaus Schamberger bewegt, bewegt gleichermaßen auch den Spezi.
Und was sind das für Themen?
Es sind die kleinen Probleme der großen Welt, von denen jeder mehr oder weniger betroffen ist.
Könnten Sie uns ein kleines Beispiel nennen?
Wenn ich durch die Innenstadt laufe und in einem Schaufenster einen Kugelschreiber sehe, der mehr als 10.000 Euro kostet, erlaube ich mir halt, die Frage zu stellen, wer wozu so ein teueres Schreibgerät braucht.
Und hinterher kippt der Ladenbesitzer ohnmächtig aus dem Stuhl?
Davon habe ich noch nichts gehört.
Gibt es keinen Ärger wegen Ihrer spitzen Zunge?
Vielleicht manchmal. Die Kirchen sind ein bisschen empfindlich. Und zwar im ökumenischen Gleichklang. Da gibt es zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche keinen erkennbaren Unterschied.
Haben Sie wohl mit christlichen Grundwerten nichts am Hut?
Ich habe mit der Institution Kirche wenig am Hut. Religion und Glaube sind etwas anderes. Da muss man nicht dreimal in der Woche in die Kirche rennen. Ich bin eher ein sozialkritischer Mensch, der dem Hartz-IV-Empfänger näher steht als dem Ackermann von der Deutschen Bank – oder Managern, die Millionen-Abfindungen kassieren und die „Quelle“ in den Abgrund steuern.
Sie sind ein geborener Nürnberger und ein intimer Kenner der Franken. Tickt ein Franke anders als ein Berliner oder ein Hamburger?
Ein Franke ist ein Bfobferer, der auf den ersten Blick ein wenig mürrisch erscheint, von Kommunikation mit Fremden nicht viel hält und nicht unbedingt zu überschäumender Spontanität neigt. In Wirklichkeit sind Franken aber ein recht liebenswertes Volk, das halt gewisse Eigenartigkeiten hat, mit denen ein Hamburger oder Berliner nicht gleich etwas anfangen kann. Aber das gibt sich, wenn man sich näher kennt.
Zum echten Franken gehört auch, dass er ein Club-Fan ist. Sind Sie ein Club-Fan?
Ich bin seit meinem zehnten Lebensjahr Club-Mitglied, habe dort meine Frau kennengelernt, die Hockey gespielt hat, besitze seit vielleicht ein paar Jahrzehnten eine Dauerkarte und schaue mir fast jedes Heimspiel an. Da läuft man natürlich auch schon einmal Gefahr, dass sich die Begeisterung in gewissen Grenzen hält..
...die sich dann in dem Zitat „Der Glubb ist ein Debb“ niederschlägt. Ist diese etwas griffige Bezeichnung, die fast jeder Club-Fan schon einmal gehört hat, eigentlich eine Erfindung von Ihnen?
Mit hundertprozentiger Sicherheit lässt sich die Frage nicht mehr beantworten. Ich weiß nicht mehr, ob ich den Satz irgendwann einmal gehört und dann in einer Kolumne wiedergegeben habe oder ob er mir bei passender Gelegenheit eingefallen ist. Ganz daneben liege ich mit dem Ausspruch jedenfalls nicht.
Bei den „Ultras“ zum Beispiel, die sich für die wahren Club-Fans halten, dürften solche Äußerungen aber nicht unbedingt auf große Gegenliebe stoßen.
Wenn man sich für einen wahren Club-Fan hält, muss man ja nicht unbedingt ein wahrer Club-Fan sein. Ich jedenfalls habe mit Krawallmachern nichts zu tun. Ich will mir das Spiel anschauen und mir nicht vorschreiben lassen, wie ich mich zu verhalten habe.
Intensivere Kontakte mit dem „Ruhmreichen“ reichen weit zurück. Als junger Mann waren Sie bei der AZ Sportreporter. Wann sind Sie denn zum Glossen schreibenden Spezi mutiert?
Das sind jetzt bald 40 Jahre her.
Und wie sind Sie darauf gekommen?
Meine Idee war es nicht. Mein damaliger Redaktionsleiter hat gemeint, dass ich dafür geeignet wäre. Ich selber war da etwas anderer Meinung. Als ich meine erste Spezi-Kolummne in gedruckter Form gesehen habe, war mir das sogar ausgesprochen peinlich. Die Kollegen dagegen fanden sie gut. Warum, weiß ich nicht.
Vielleicht weil Ihre Beobachtungsgabe und Ihr Sprachwitz die fränkische Mentalität so trefflich beschreiben?
Da will ich mich nicht dazu äußern. Um ganz ehrlich zu sein: Ich wundere mich heute noch, warum es den Leuten gefällt.
Ihr Licht müssen Sie jetzt nicht unter den Scheffel stellen. Sie bereichern mit Ihren Kolumnen seit vielen Jahren die AZ, treten vor Tausenden von lachenden Menschen auf, unterhalten mit Ihrem „Gschmarri zum Wochenende“ zahllose Hörer des Bayerischen Rundfunks, waren fester Bestandtteil von TV-Sendungen, schreiben Bücher, produzieren CDs. Viel mehr geht nicht. Haben Sie mit so einem Erfolg wenigstens insgeheim gerechnet?
Weder insgeheim noch überhaupt. Das war kein Thema. Am Anfang habe ich nicht einmal einen Verleger gefunden, der meine Bücher drucken wollte. Mein Kollege Norbert Neudecker, der später Pressechef im Rathaus geworden ist, hat mich dann dazu überredet, dass wir einen eigenen Verlag gründen sollten. 5000 Mark haben wir damals zusammengekratzt, um den ersten Band von „Ich bitte um Milde“ herauszubringen. Das war es uns wert, auch wenn wir davon ausgegangen sind, dass wir die in den Sand setzen.
Jetzt sind Ihr 16. Band herausgekommen und die siebte CD. Das sieht ja schwer nach Routine aus.
Von wegen. Ich zittere jedesmal aufs Neue, ob es gelungen ist.
Zittern? Haben sie wohl immer noch Lampenfieber bei Auftritten vor Publikum?
Schlimmer könnte es gar nicht sein. Die Nervosität verschwindet erst, wenn ich auf die Bühne getreten bin und merke, dass das Publikum zuhört. Bei TV-Sendungen, vor allem wenn sie live über den Bildschirm flimmern, ist mir das Herz jedesmal in die Hose gerutscht.
2007 haben Sie sich entschlossen, etwas kürzer zu treten und keine Bühnenauftritte mehr zu machen. Haben Sie durchgehalten oder hat sie das Fieber doch noch im Griff?
Na ja, eigentlich habe ich schon aufgehört, aber in einem Fall mache ich eine Ausnahme. Einmal im Jahr veranstalte ich einen Benefiz-Abend zugunsten der Organisation „Menschen für Menschen“ von Karl-Heinz Böhm. Das liegt mir sehr am Herzen. Ich hatte die Gelegenheit, in Äthiopien seine Arbeit vor Ort zu erleben und war zum einen sehr beeindruckt von seinem Engagement, zum anderen tief betroffen von der Armut der dort lebenden Menschen.
Schieben wir mal Ihre irgendwie gearteten öffentlichen Auftritte auf die Seite. Als 2005 Ihr 15. Band von „Ich bitte um Milde“ erschienen ist, haben Sie gesagt, dass jetzt Schluss ist. Jetzt gibt es den 16. Ist das der letzte Band?
Allerhöchstwahrscheinlich.
Stoff müsste allerdings noch genügend vorhanden sein. Wie oft war denn der Spezi unterwegs?
Da müsste ich auf die Schnelle eine kleine Hochrechnung aufmachen, denn genau weiß ich es nicht.
Dann rechnen Sie doch.
Auch das noch. Also (murmel murmel) ich schätze, dass es knapp 4000 Glossen gewesen sein könnten.
Interview: Helmut Reister