Altersarmut: Mehrere Millionen Rentner betroffen

Aktuelle Zahlen des Sozialministeriums erschrecken. Man muss sie aber genau betrachten - und dann stehen die Bayern besonders schlecht da.
von  Jörg Ratzsch, Martina Scheffler
Eine Seniorin hält ihren Rentenbescheid in der Hand. Viele Renten sind niedrig - aber sind die Bezieher wirklich arm?
Eine Seniorin hält ihren Rentenbescheid in der Hand. Viele Renten sind niedrig - aber sind die Bezieher wirklich arm? © Felix Kästle/dpa

München - Etwa jeder fünfte Altersrentner in Deutschland bekommt weniger als 500 Euro Rente im Monat. Das geht aus einer Antwort des Bundessozialministeriums auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten René Springer hervor.

Mehrere Millionen Rentner an der Armutsgrenze

Rund 3,4 Millionen Altersrenten lagen demnach Ende 2020 bei unter 500 Euro, das waren den Angaben zufolge 19,8 Prozent. Rund die Hälfte (49,5 Prozent) der Renten lag bei unter 1.000 Euro im Monat.

Besonders viele kleine Renten werden im Westen und an Frauen gezahlt. Springer sprach von einer "jahrzehntelangen verantwortungslosen Rentenpolitik".

Niedrige Rente durch kurze Beitragszeiten

Das Ministerium merkt in seiner Antwort dagegen an, eine niedrige Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sage wenig über das Gesamteinkommen im Alter aus.

Kleine Renten ergäben sich vor allem aus sehr kurzen Beitragszeiten, etwa durch "kurze Erwerbsbiografien, wie sie früher in den alten Bundesländern bei Frauen oft vorkamen" oder auch durch den Wechsel des Versichertenstatus von der gesetzlichen Rentenversicherung in die Beamtenversorgung.

Laut Alterssicherungsbericht der Regierung kämen geringe Renten "viel häufiger" in Haushalten mit hohen Einkommen vor. Auch von der Deutschen Rentenversicherung hieß es am Freitag, die Betrachtung individueller Ansprüche alleine aus der gesetzlichen Rentenversicherung besitze nur eine begrenzte Aussagekraft hinsichtlich der generellen Einkommenssituation von Rentnern.

Rentner beziehen oft noch weitere Einkünfte

"Rentnerinnen und Rentner haben in zahlreichen Fällen Alterseinkünfte aus weiteren Quellen, beispielsweise Betriebsrenten, Einkünfte eines Partners oder daraus abgeleiteten Ansprüchen auf Hinterbliebenenleistungen."

Ein Sprecher der Rentenversicherung bezog sich ebenfalls auf den aktuellen Alterssicherungsbericht der Bundesregierung. "Danach erreichen Ehepaare in Deutschland ein durchschnittliches Netto-Gesamteinkommen aus Alterssicherungsleistungen und zusätzlichen Einkommen in Höhe von 2.907 Euro im Monat."

Der Paritätische teilt die Einordnung des Ministeriums. "Klein- und Kleinstrenten in der Rentenversicherung sind überwiegend darauf zurückzuführen, dass Menschen nur kurze Zeit Ansprüche aus der Rentenversicherung erworben haben, etwa weil sie ins Beamtenverhältnis oder in die Alterssicherungssysteme freier Berufe, etwa von Ärzten oder Anwälten, wechselten", sagt Joachim Rock, Leiter der Abteilung Arbeit, Soziales und Europa. "Auch Frauen, die ihr ganzes Berufsleben verbeamtet oder privat versichert waren, erwerben bei mehreren Kindern eigene, zum Teil aber geringe Ansprüche an die Rentenversicherung, das sagt aber nichts über das Gesamteinkommen."

Wohlfahrtsverband: Wachsendes Armutsrisiko für ältere Menschen

Zur Veranschaulichung führt Rock aus, etwa zwei Prozent der Paarhaushalte hätten Rentenansprüche von unter 250 Euro, dabei im Schnitt 157 Euro. "Die haben aber ein Gesamteinkommen von 4.122 Euro brutto."

Mehr Sorgen bereitet dem Wohlfahrtsverband das wachsende Armutsrisiko älterer Menschen. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge waren 2019 20,7 Prozent der Rentner von Einkommensarmut betroffen, besonders Frauen. "Das sind aber nicht die gleichen 20 Prozent, die Renten unter 500 Euro haben, sondern dahinter verbergen sich dann die, die beispielsweise lange im Niedriglohnbereich gearbeitet und Ansprüche über 500 Euro haben, aber wenig oder nichts darüber hinaus", führt Rock aus.

Forderung: Höheres Rentenniveau und Grundsicherung

Die Grundrente verbessere zwar die Lage jener, die mehr als 33 Jahre versichert waren. Das reicht aus Sicht des Paritätischen aber nicht. Der Verband fordert unter anderem eine Anhebung des Rentenniveaus und eine Erhöhung der Grundsicherung im Alter mit einem Regelsatz von mindestens 678 Euro.

Besonders von Altersarmut betroffen sind die Menschen in Bayern. Dies sei schon seit dem Jahr 2005 so, hatte im Dezember der Landesgeschäftsführer des Sozialverbands VdK Bayern, Michael Pausder, gesagt.

Pausder zufolge liegt die Altersarmutsquote in Bayern für Männer bei 17,5 Prozent, bei Frauen sogar bei 23,8 Prozent. Eine bayerische Männerdurchschnittsrente betrage demnach 1.265 Euro, die einer Frau nur 765 Euro.

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