Altenheim-Report: So schlimm geht es in Nürnberg zu

Die städtischen Kontrolleure fanden in 63 Prozent der Einrichtungen Mängel – eine alte Dame starb, weil ihre Verletzung nach einem Sturz unterschätzt wurde.
von  Abendzeitung
Ein Altenheim-Bewohner beim Essen. Auch bei der ausreichenden Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit stellte die Heimaufsicht Probleme fest.
Ein Altenheim-Bewohner beim Essen. Auch bei der ausreichenden Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit stellte die Heimaufsicht Probleme fest. © dpa

Die städtischen Kontrolleure fanden in 63 Prozent der Einrichtungen Mängel – eine alte Dame starb, weil ihre Verletzung nach einem Sturz unterschätzt wurde.

NÜRNBERG Er ist 33 Seiten stark – und wahrlich kein Ruhmesblatt für die Nürnberger Alten- und Pflegeheime: Am 18.Juni berät der Gesundheits- und Sozialausschuss im Rathaus über den Bericht der Heimaufsicht. Kurz gesagt: Die Kontrolleure fanden auch im Jahre 2008 jede Menge Mängel in den 86 Heimen im Stadtgebiet. Skandalös: Erneut ist ein alter Mensch gestorben, weil die Pflege versagte.

Immerhin: Erstmals hat es die Heimaufsicht aufgrund der vergrößerten Mannschaft geschafft, tatsächlich jede Einrichtung im Stadtgebiet innerhalb eines Jahres wenigstens einmal zu kontrollieren – wie es das Heimgesetz vorsieht. Ergebnis: Bei nur sieben Kontrollen gab es keine oder nur geringe Beanstandungen. Bei 70 Prüfungen – das entspricht 63,1 Prozent – wurden Mängel festgestellt. Ein verheerendes Ergebnis – obwohl die Heimaufsicht sogar eine leichte Verbesserung gegenüber 2007 feststellte!

In 63 Heimen nahmen die Kontrolleure den Pflegezustand von 326 Bewohnern besonders unter die Lupe (bei 7756 Altenheim-Plätzen in Nürnberg) Ergebnis: Bei 73 alten Menschen – das sind 22,3 Prozent – fanden sich zum Teil erhebliche Pflegemängel.

Die Liste des Grauens

In zehn Fällen wurden schwere Erkrankungen, Schmerzen oder Verletzungen trotz eindeutiger Symptome nicht erkannt – Maßnahmen wurden erst nach Intervention der Angehörigen oder der Heimaufsicht ergriffen. Der krasseste Fall: Obwohl eine Heimbewohnerin mehrfach gestürzt war, wurden keine Maßnahmen ergriffen, so etwas zukünftig zu vermeiden. Nach dem dritten Sturz erlitt die alte Dame einen Bluterguss am Hinterkopf. Obwohl die Gefahr bestand, dass eine Gehirnblutung einsetzen konnte, wurde der Verletzung kaum Beachtung geschenkt. Die Frau starb an den Folgen des Sturzes.

Bei Heimbewohnern mit Diabetes wurde in sieben Fällen nichts gegen einen eintretenden Unterzucker getan.

Bei zwei Bewohnern fand die Heimaufsicht so genannte Dekubiti (Aufliege-Geschwüre), die von Pflegefehlern verursacht waren.

Bei 18 Altenheim-Bewohnern, die massiv und in kurzer Zeit an Gewicht verloren, kümmerte sich niemand um die Ursachen oder leitete Gegen-Maßnahmen ein.

Erneut stellte die Heimaufsicht Mängel bei den so genannten „freiheitsentziehenden Maßnahmen“ fest. Offenbar hat es sich immer noch nicht bis zum letzten Heimleiter herumgesprochen, dass man für die Fixierung eines Bewohners einen gültigen Beschluss des Vormundschafts-Gerichts benötigt. Darüber hinaus waren die gesetzlichen Betreuer teilweise nicht eingebunden oder es fehlten die ärztlichen Atteste über die Notwendigkeit der Maßnahme.

In 19 Fällen veranlasste die Heimaufsicht einen Personal-Wechsel in der Leitungsebene von Heimen. Weil auch das Abstellen von Mängeln erneut kontrolliert werden mussten, waren die neun Mitarbeiter der Heimaufsicht 111 Mal zur Kontrolle unterwegs. venne

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