Als Hecking uns in die Enge trieb

Nach der 0:4-Klatsche in Hamburg sorgte der Club-Trainer im Bus für einen Energie-Schub
von  Abendzeitung
Freudentaumel pur nach dem erfolgreichen Nachsitzen in der Relegation gegen Augsburg: Die Club-Kicker und Trainer Dieter Hecking völlig losgelöst.
Freudentaumel pur nach dem erfolgreichen Nachsitzen in der Relegation gegen Augsburg: Die Club-Kicker und Trainer Dieter Hecking völlig losgelöst. © Wolfgang Zink

Nach der 0:4-Klatsche in Hamburg sorgte der Club-Trainer im Bus für einen Energie-Schub

Von Mike Frantz

Tja, so ist es leider oft im Fußball: Bist du dir zu sicher, fällst du prompt auf die Nase. Nach dem 2:0 gegen Mainz hatten wir uns plötzlich auf Platz 14 hochgearbeitet und alle im Umfeld – und im Unterbewusstsein auch wir selbst – dachten, dass wir es schon geschafft hätten. Aber Pustekuchen!

Beim 0:2 gegen Wolfsburg hätten wir den Punkt lieber mal mitgenommen. Wir waren die bessere Mannschaft. Aber wir haben unsere Chancen nicht genutzt, sind immer weiter nach vorne gestürmt – und wurden dann gleich zweimal blöd ausgekontert. Einen Edin Dzeko oder Grafite kannst du eben nicht hundertprozentig ausschalten.

Dagegen waren wir bei der 1:2-Pleite in Freiburg einfach nur schlecht. Kurios, denn in der Woche zuvor hatten wir so gut trainiert wie noch nie zuvor. Im Abschlusstraining habe ich gedacht: Okay, morgen kann es nur einen Sieger geben – und der heißt 1. FC Nürnberg. Bei uns ist aber von Anfang an nichts zusammengelaufen. Kein Vorwurf an Dominic Maroh wegen seines Eigentors, das kann jedem mal passieren. Wir haben auch so Fehler über Fehler produziert. Dafür sind wir zu Recht richtig kritisiert worden.

"Steigen wir ab, stürzt der Verein in ein finanzielles Loch"

Gegen Dortmund hatten wir uns zwar gesteigert, Christian Eigler und ich haben sogar noch getroffen. Es war aber dennoch zu wenig, weil wir schlecht verschoben haben und uns vor allem zu viele Abspielfehler unterlaufen sind.

Nach dem 2:3 war plötzlich wieder Druck da – und mit dem geht jeder Spieler anders um. Alle wussten, wenn wir versagen, steigten wir nicht nur ab, sondern der Verein fällt für Jahre in ein riesiges finanzielles Loch. Manche denken vielleicht zu viel darüber nach. Ich habe mich immer darauf Freude, in der Bundesliga spielen zu dürfen. Das habe ich auch den jüngeren Spielern versucht zu vermitteln. Ich habe gesagt: Jungs, wir müssen einfach das abrufen, was wir können, dann kann uns nichts passieren.

Es war natürlich schade, dass wir den direkten Klassenerhalt nach der 0:4-Klatsche in Hamburg nicht mehr selbst in der Hand hatten. Aber anstatt uns einzumachen, hat Dieter Hecking damals eine sensationelle Aktion gebracht: Er hat uns auf der Heimfahrt alle hinten im Bus zusammengerufen und dann einzelne gefragt, wie es zu diesem Auftritt kommen konnte. Er hat gesagt, dass wir keine Stinkstiefel in der Mannschaft haben, dass wir ein Team sind, in dem sich alle gut verstehen. In diesem Moment hat uns Hecking das Gefühl gegeben, dass er ein Teil der Mannschaft ist, dass er dazugehört und wie ein Spieler denkt. Es ging ihm dabei nicht um Kritik, sondern nur um das gemeinsame Ziel: den Klassenerhalt! Wir waren nur auf vier Quadratmetern zusammengesessen, aber da war plötzlich so eine Energie, dass wir wussten, wir bleiben drin.

"Die HSV-Pleite hat uns erst richtig zusammengeschweißt"

Ich weiß noch ganz genau, wie ich meine Freundin Sarah angerufen und in Telefon gebrüllt habe: Sarah, wir steigen nicht ab! Wie kommst du denn da drauf, hat sie mir entgeistert geantwortet, ihr habt schließlich gerade 0:4 verloren. Aber ich war mir so sicher, dass ich ihr geschworen habe: Ich gehe mit dir jede Wette ein, wir steigen nicht ab. Natürlich wäre es schöner gewesen, den Klassenerhalt schon vorher klar zu machen. Möglich war es allemal, denn wir hatten von den Mannschaften im unteren Drittel die beste Qualität im Kader. Dennoch war die Niederlage beim HSV gar nicht so schlecht, denn sie hat uns erst so richtig zusammengeschweißt.

Mit dem 1:0 gegen Köln haben wir dann nochmal richtig Mut für die Relegation gegen Augsburg getankt. Wir wussten natürlich, dass es schwer werden würde. Aber nach dem Sieg im Hinspiel war allen klar, dass es der 1. FC Nürnberg sein würde, der nächste Saison in der Ersten Liga spielt. Und so war’s dann ja auch. Nur mir war in Augsburg nicht so nach Feiern zu Mute, da ich mich in dem Spiel schwer verletzt hatte. Nach der ersten Diagnose, drei Monte Pause, war ich völlig fertig. Als mir dann am selben Abend unser Doc Matthias Brem sagte, dass es doch nicht so schlimm sei, ist irgendwie alles von mir abgefallen. Ich glaube, ich habe im Kernspintomographen sogar ein wenig geweint. Vor Freude natürlich. Denn ich weiß, wie wie wichtig der Klassenerhalt für den Club, seine Fans aber auch die Region war. Das ist einfach Tradition hier. Und ich fühle mich so wohl, dass ich meinen bis 2013 laufenden Vertrag am liebsten sofort verlängern würde.

"Wir haben eine n großen Kampf gewonnen"

An meine erste verrückte Bundesliga-Saison werde ich mich noch lange erinnern. Denn wir haben einen großen Kampf gewonnen. Auch ich persönlich. Mit dem FC Saarbrücken hatte ich nämlich schon mal einen Abstiegskampf verloren. Daran hatte ich verdammt lange Zeit zu knabbern. Heute weiß ich, dass man es schaffen kann.

aufgezeichnet von Krischan Kaufmann

Mehr über den Club lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer Abendzeitung am Donnerstag, 10. Juni.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.