Als die Quelle plötzlich Karstadt kontrollierte
Eine umstrittene Fusion: Ab Juli 1999 umfasst der Super-Konzern die Geschäftsfelder Warenhäuser, Versandhandel, Dienstleistungen und Immobilien.
NÜRNBERG/FÜRTH Rückblende auf 1989. Da wird in Fürth ein knapp 31-jähriger Jung-Manager eingestellt. Christoph Achenbach, geboren in Münster, hatte Betriebswirtschaftslehre studiert, gerade promoviert und war Assistent am Lehrstuhl für Handel und Absatz an der Uni in Köln. Der ruhige Westfale wird bei der Quelle zunächst für die Abteilung „Strategische Planung“ verpflichtet. Dann geht es alle zwei Jahre eine Sprosse höher auf der Karriereleiter.
1998 ist Achenbach bereits Mitglied des Vorstandes, 2001 dann Vorstandsvorsitzender der Quelle AG – und kurze Zeit später auch Vorstandsmitglied des neuen Mega-Konzerns, der KarstadtQuelle AG. Viele sehen heute in dem Zusammenschluss der beiden Handels-Riesen den Anfang vom Ende – und in Achenbach einen der Totengräber des Traditionskonzerns.
Die Initiative zur umstrittenen Fusion ging jedoch von den Inhaber-Familien aus: Hans Dedi und sein Schwiegersohn Ingo Riedel, Aufsichtsratmitglied der Karstadt-Quelle AG, auf der einen Seite – und auf der anderen Madeleine Schickedanz und ihr dritter Ehemann Leo Herl, der ebenfalls dem Aufsichtsrat des Konzerns angehört.
1997 erwarb die Schickedanz-Gruppe zunächst eine 20-prozentige Beteiligung an der Karstadt AG. Ein Jahr später, nach Zustimmung des Kartellamtes, wurden die Anteile um gut das Doppelte aufgestockt: Die Schickedanz-Gruppe hatte 48 Prozent Anteile, also die Kontrolle über den Warenhauskonzern.
Im Juli 1999 verschmelzen die Quelle AG & Co KG und die Karstadt AG zur KarstadtQuelle AG. Unter dieser Muttergesellschaft – Vorstandsvorsitzender ist Wolfgang Urban – sind die Geschäftsfelder Warenhäuser, Versandhandel, Dienstleistungen und Immobilien angesiedelt. Die Quelle, im Oktober 1927 in der Fürther Moststraße gewissermaßen als Onkel-Gustav-Laden gegründet, ist im Ozean angekommen. Der neue Super-Konzern, die KarstadtQuelle AG ist 2001 mit 16,1 Milliarden Euro Umsatz und 120000 Mitarbeitern Europas größtes Versandhandels- und Warenhausunternehmen. Zum Konzern gehören 188 Karstadt-Kaufhäuser, der Quelle-Versandhandel, Neckermann, Thomas Cook-Reisen, die Nürnberger Druckerei Maul & Belser.
Beherrscher des riesigen Alleshändlers sind aber immer noch die Familien der beiden Schickedanz-Töchter aus erster und zweiter Ehe. Der Pool „Madeleine Schickedanz“ hat am Groß-Konzern 36,12 Prozent Anteile, die Riedel Holding 12,24 Prozent, die Schickedanz Holding 5,35 Prozent. Als Fremd-Anteilnehmer gibt es nur noch die Allianz mit 13,34 Prozent. Knapp 33 Prozent der Aktien sind im Streubesitz. Die beiden Familien ziehen aber längst nicht mehr an einem Strang. Quelle-Senior Dedi: „Die Zweige sind in verschiedene Richtungen gewachsen.“ Er sollte recht behalten.