Als die Bilder raufen lernten

Das "StummFilmMusikFestival" in Erlangen hatte neuen Sound für Bildgewalten. Das Festival-Ziel blieb auch 2008 klar vor Augen.
Die ästhetische Distanz zwischen weit aufgerissenen Augen, die für Revolutionspathos den Blickfang geben (UdSSR-Produktion „Sturm über Asien“ von 1925) und Buster Keatons Minimalisten-Comedy der Ausdrucksverweigerung („Kameramann“, USA, gleicher Jahrgang) ist gewaltig. Da könnte sich sogar eine so fundierte Veranstaltung wie Erlangens „StummFilmMusikTage“ verlaufen.
Doch das Festival-Ziel blieb auch 2008 klar vor Augen: Das Verflimmern einer besonderen musealen Kunst am Rand allgemeiner Wahrnehmung durchs Aufladen ihrer Bildwelten mit dem Klang von heute. Die von ARTE mitgeschnittene Live-Uraufführung des aufbrausenden 110-Minuten-Soundtracks von Bernd Schultheis zum Bürgerkriegsdrama aus der Mongolei – Movie-Maestro Frank Strobel und das ensemble KONTRASTE setzten es im Markgrafentheater perfekt um – war der Modellfall für den Jahrgang.
Das gefühlsdampfende Melodram um einen Pelzjäger, der nach viel Leid zum Revoluzzer wird, ist voller geduckter und im Lachen erlöster Augenaufschläge, ausgekosteter Natur-Bestaunerei und einer Schicksalsdramaturgie wie sie zwischen griechischer Antike und RTL-Vorabend unabänderlich ist. Der Dramen-Weg führt zur Action, die Kamera saugt Kampfsituation gierig auf. Als die Bilder raufen lernten – da muss auch die 80 Jahre später entstandene Schultheis-Musik kräftig hinlangen. Das geschieht abwechslungsreich mit metaphorischem Paukenschlag und realistischem Kulissengeklingel, mit großer Orchestergeste und hörspielerischen Miniaturskizzen, die nicht frei sind von Konkurrenzneid gegen die Bildgewalten. D.S.