Alles, was glänzt, ist Restmüll

Zwei Nürnberger in Fürth: Reiner Bergmann und Horst Münch zeigen in der kunst galerie ihre erste gemeinsame Schau „Wertanlage".
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Zwischen Armuts-Kisten und Foto-Reisen: Horst Münch (li.) und Reiner Bergmann in der kunst galerie fürth.
Klaus Schillinger Zwischen Armuts-Kisten und Foto-Reisen: Horst Münch (li.) und Reiner Bergmann in der kunst galerie fürth.

NÜRNBERG - Zwei Nürnberger in Fürth: Reiner Bergmann und Horst Münch zeigen in der kunst galerie ihre erste gemeinsame Schau „Wertanlage".

Beim Plündern von Wertstoffhöfen wurde hier ganze Arbeit geleistet: Autoreifen und verrostete Metallteile, ein Sägeblatt, ein alter Schrank, Fensterrahmen, Bleche und Hölzer — was sich in der kunst galerie fürth unter dem Titel „Wertanlage“ zu teils raumgreifenden Skulpturen fügt, gleicht einem Zivilisationsfriedhof.

Einem romantischen, zweifelsohne: Gerade den Kästen und Schränken, den stehengebliebenen oder ziffernlosen Uhren und Bühnen-Rahmen von Reiner Bergmann wohnt ein verblasster Zauber inne, wo sich Spuren einer längst vergangenen Industrie-Arbeitswelt mit Spielzeugdetails zu lebendigen Szenen weiten. Horst Münch hingegen füllt ganze Armutskisten mit Holz, Montageschaum und Gips. Hier ist garantiert nichts Silber, was glänzt, sondern eingefärbter Restmüll. Da gerinnt „Die tote Zeit“ zur zusammengeknautschten Gips-Decke, ist eine Stuckleiste am Boden einziges Indiz für den „Schönen Raum“.

Die Finanz-Krise, sagen die beiden Nürnberger mit Fürth-Brückenschlag (Münch unternahm hier erste künstlerische Gehversuche, Bergmann zog vor Kurzem hierher), spielte bei der Titel-Findung eine Rolle. „Natürlich leben wir immer in einer Krise“, findet Münch. Und ätzt über Fürth: „Alles, was passiert ist, hat die Stadt verschlechtert aus Zukunftsgläubigkeit und Dummheit — als wäre der Niedergang von Quelle nicht absehbar gewesen.“ Ideologisierung findet er „fürchterlich“ — und kontert mit Phrasentiteln wie „Gleichgültigkeit/ Gerechtigkeit“, bedeutungsschwangerem Nonsense.

Obwohl Galerie-Leiter Hans-Peter Miksch ein „kleiner Skulpturenherbst“ vorschwebte, als er nach Riera i Aragó das Nürnberger Doppelpack einlud, setzte sich Münch durch und zeigt die Foto-Serie „Aufklärung“: Da bilden Schwarzweiß-Motive — Nierentische, Polstermöbel, Leuchtschriften, Berglandschaften und verlassene Tankstellen — ein demokratisches Panorama in der Reihenfolge, wie sie in den 70ern aufgenommen wurden. Ahnlich wertfrei schweift der Blick in Münchs Videos.

Obwohl sich Bergmann und Münch schon seit 1980 kennen (angeblich begegneten sie sich in Düsseldorf), sie in Köln ihre Ateliers im selben Gebäude besaßen und durch dieselbe Pariser Galerie vertreten wurden, ist die Fürther ihre erste gemeinsame Ausstellung. Sie macht Lust auf mehr. Georg Kasch

kunst galerie fürth (Königsplatz 1): bis 20. November, Di-Sa 13-18 Uhr, So 11-17 Uhr

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