Aiwanger entschuldigt sich für Veröffentlichung von Wahlprognosen

München - Nicht einmal eine Minute brauchte der bayerische Wirtschaftsminister, stellvertretende Ministerpräsident und Vorsitzende der Freien Wähler (FW) Hubert Aiwanger am Mittwoch im Landtags-Plenum, um sich für seine Twitter-Botschaft vom Sonntag zu entschuldigen. "Ich entschuldige mich in aller Form für den Tweet vom Wahlsonntag", sagte er, verweigerte jedoch mit Hinweis auf die Prüfung des Vorgangs durch den Bundeswahlleiter "weitergehende allgemeine Ausführungen". Die Opposition sah darin kein echtes Bedauern – und der Koalitionspartner CSU hüllte sich in Schweigen.
Aiwanger hatte am Nachmittag des Wahlsonntags auf Twitter aktuelle Umfrageergebnisse der Forschungsgruppe Wahlen gepostet und hinzugefügt: "Die letzten Stimmen bitte jetzt noch an uns" – ein offenkundiger Verstoß gegen das Wahlgesetz.
Am Montag sprach er dann von einem "Missgeschick". Zwischenzeitlich wies er darauf hin, dass es sich bei den Zahlen nicht um sogenannte "Exit Polls" gehandelt habe, also Werte, welche die Demoskopen am Wahltag von den Wählern abfragen und die sie unter dem Siegel der Verschwiegenheit Spitzenpolitikern zur Verfügung stellen.
Druck von Söder: Wie aufrichtig war Aiwangers Entschuldigung?
Wie es zu dem "Missgeschick" kam, blieb also auch am Mittwoch ungeklärt. Klar war nur, dass es am Morgen ein Gespräch Aiwangers mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gegeben hatte. Die Wirkung beschrieb der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Hagen so: Aiwanger habe so viel echte Reue gezeigt wie ein Bub, der an den Ohren zum Nachbarn geschleift wird, um sich für eine eingeschlagene Fensterscheibe zu entschuldigen. Aiwangers "halbgare" Entschuldigung sei einzig und allein auf Druck Söders zustande gekommen.
Aiwangers knappe Erklärung erboste auch Grüne und SPD. Der FW-Chef habe am Sonntag nicht nur den Tweet mit den Prognosewerten abgesetzt, sondern einen Twitter-Post nach dem anderen, sagte der Grünen-Abgeordnete und Parlamentsvizepräsident Thomas Gehring: "Das tut man nicht".
Deutschlandweit sei Aiwanger zwar nur "Provinzpolitiker einer Kleinstpartei", in Bayern jedoch stellvertretender Ministerpräsident, dem es an "grundlegenden Anstandsregeln des politischen Umgangs" fehle. Gleichwohl akzeptierten die Grünen die "dürftigste Entschuldigung, die man sich vorstellen kann".
Für Aiwanger-Rauswurf: SPD reichte Dringlichkeitsantrag ein
Am schärfsten ging SPD-Fraktionschef Florian von Brunn mit dem FW-Politiker ins Gericht. Seine Sozialdemokraten hatten einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der die Entlassung des Wirtschaftsministers verlangte, jedoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der AfD abgelehnt wurde.
Aiwanger nehme es mit den demokratischen Gepflogenheiten nicht so genau, schimpfte von Brunn. Der Minister sei seiner Aufgabe nicht gewachsen. Es liege nur an den Zwängen in der CSU-FW-Koalition, dass er noch im Amt sei. Dabei müsse die CSU "die Zähne ganz fest zusammenbeißen". Der Twitter-Vorgang "muss Konsequenzen haben", forderte von Brunn und sah gleich "die ganze Koalition am Ende".
Das war auch die Sicht des AfD-Fraktionsvorsitzenden Ingo Hahn. Die Freien Wähler seien ohnehin nur noch die "Platzhalter für die Grünen". Wenn CSU-Chef Söder in Berlin eine Koalition mit den Grünen zusammenbringe und Kanzler werde, würden sie als bayerischer Koalitionspartner "ausgespuckt", so der AfD-Politiker.
War Aiwangers Tweet eine Ordnungswidrigkeit?
Da sich aus der CSU-Fraktion niemand meldete, um dem Minister der eigenen Staatsregierung beizustehen, fiel diese Aufgabe dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Freien Wähler Fabian Mehring zu. Er tat dies vehement und startete einen Gegenangriff auf SPD-Fraktionschef von Brunn, der pro Woche mehrere Rücktrittsforderungen erhebe und sich als "Großmeister der Vorverurteilungen" aufführe: "Das ist Ihre Art, Politik zu machen."
Aiwangers persönliche Erklärung verdiene "Respekt", meinte Mehring. Es sei noch gar nicht entschieden, ob es sich bei dem Wahlsonntags-Tweet überhaupt auch nur um eine Ordnungswidrigkeit gehandelt habe. Falls der Bundeswahlleiter das Verfahren einstelle, gehe er davon aus, dass sich von Brunn ebenso wie Aiwanger im Parlament entschuldigen werde.