AfD im Bayerischen Wald

Der Bayerische Wald ist wieder AfD-Hochburg. Ein Besuch bei Wählern und Populisten in Mauth und Mamming. Was treibt sie an?
Sonja Esmailzadeh, Alexander Bayer |
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Katrin Ebner-Steiner, die niederbayerische AfD-Spitzenkandidatin, bei der Wahlparty am Sonntag in Mamming bei Dingolfing.
Alexander Bayer Katrin Ebner-Steiner, die niederbayerische AfD-Spitzenkandidatin, bei der Wahlparty am Sonntag in Mamming bei Dingolfing.

Mauth/Mamming - Das Dirndl eng, die Haare glatt. Ein Schluck aus dem Weißbierglas, ein Lächeln ins Publikum und dann geht’s los. Wer die blonde Frau auf der Bühne nicht kennt, der wartet jetzt auf Volksmusik, Gstanzl oder einen Vortrag über bayerische Küche. Aber das Fleisch gewordene Heimat-Klischee auf der Bühne heißt Katrin Ebner-Steiner und ist niederbayerische Spitzenkandidatin der AfD.

Es ist Wahlsonntag, kurz nach 18 Uhr. Am Rednerpult in Mamming bei Dingolfing hat die Politik-Quereinsteigerin die Ernüchterung der ersten Hochrechnung gerade verdaut. Mit etwa elf Prozent wird die AfD in den Landtag einziehen – deutlich weniger als die erhofften 17 Prozent. Jetzt warten die rund 100 Anhänger im Wirtshaussaal auf Ebner-Steiners Kampfansage.

Hier finden Sie alle Infos zur Landtagswahl 2018

Die Deggendorferin gilt als heißeste Kandidatin auf den Fraktionsvorsitz der künftigen Landtags-AfD. Sie ist das Gesicht der Parteierfolge in der Region. Auch an diesem Abend holt ihre Partei – wie schon bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst – in Ostbayern die meisten Stimmen im Freistaat. Von den zehn Stimmkreisen mit den besten AfD-Ergebnissen liegen acht in Ostbayern.

Spitzenreiter ist Freyung-Grafenau mit 16,2 Prozent, gefolgt von Cham und Deggendorf mit rund 16 Prozent. Hier draußen, im Osten vom Westen, zieht Ebner-Steiners Dirndl-Populismus.

So wie in der 2 300-Seelen-Gemeinde Mauth im Kreis Freyung-Grafenau, die schon bei der Bundestagswahl AfD-Hochburg war – 28 Prozent, Spitzenwert in Westdeutschland. Auch bei der Landtagswahl an diesem Sonntag geben hier 20 Prozent der Wähler ihre Stimme der AfD. CSU-Bürgermeister Ernst Kandlbinder glaubt an eine reine Protestwahl.

Einer dieser Denkzettel-Wähler steht am Nachmittag vor dem Wahllokal. Er ist um die 50, verdunkelte Brillengläser, Goldkette, Sandalen. "Klar, die AfD ist auch nicht die beste Partei, aber es gibt sonst kaum eine Alternative. Merkels Fresse kann ich nicht mehr sehen – da sage ich nur: Schleich dich, Bananenkind."

Vom CSU-Landtagsabgeordneten aus dem Landkreis, Max Gibis, ist er enttäuscht. "Er tut nichts für uns." Der wütende Mann genießt die Aufmerksamkeit der Umstehenden. Was ihn politisch stört?

"Hier gibt es Leute, die haben ihr Leben lang gebuckelt, fünf Kinder in die Welt gesetzt, aber bekommen keine Rente. Der AfD muss man eine Chance geben, die sind als Opposition gut. Wir müssen jetzt Öl ins Feuer gießen."

Es gibt aber auch jene, die nicht aus Protest wählen. Wie ein junges Paar, das etwas abseits steht. Es ist unschlüssig, würde aber die Grünen etwa allein wegen ihrer Diesel-Politik nicht wählen. Die Volksparteien hätten die Nähe zu den Bürgern verloren, sagt die Frau.

Bei der AfD-Wahlparty in Mamming inszeniert sich die 40-jährige Katrin Ebner-Steiner als Gegenpol zu diesen "Altparteien". Als Erstes wolle sie im Landtag dafür sorgen, "dass Frauen sich nachts wieder raustrauen können".

Asylzentren würde sie gerne "in grenznahe Gebiete" verbannen

Bei anderen Auftritten wie auf dem Abensberger Gillamoos warnt sie vor einem Islam, der nach der Weltherrschaft greife, vom untergehenden bayerischen Volk. Das drängendste Problem in ihrer Heimat Deggendorf sieht sie im Ankerzentrum. Die Asylzentren würde sie am liebsten gleich ganz aus den Städten verbannen, hinaus in "grenznahe Gebiete".

Ebner-Steiner gilt selbst in der AfD als Hardlinerin, sie zählt zum rechten Flügel. Den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke bezeichnet sie als guten Freund. Dabei schreit eigentlich alles an Ebner-Steiner nach CSU: Dirndl, Perlenkette, Familie, Heimatverbundenheit. Das Elternhaus ist christsozial geprägt, der Ehemann 30 Jahre lang Mitglied bei der CSU.

Wie kommt eine wie sie zur AfD? Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" habe ihr 2010 die Augen geöffnet. "Ihr Bayern" sieht sie seitdem von der Islamisierung bedroht. So sehr, dass sie manchmal nachts nicht schlafen kann, behauptet sie.

Ähnlich diffuse Ängste gehen in Mauth um. Heute leben hier sechs Flüchtlinge. 2015 waren es etwa 60. "Das war bedrohlich", sagt die junge Frau vor dem Wahllokal. "Die Kinder haben auf der Straße geweint, weil sie noch nie schwarze Männer gesehen haben. Und wir haben uns nicht mehr an den See getraut, weil da so viele Asylbewerber waren. Die haben uns verfolgt, beleidigt und betatscht."

Ein älterer Herr um die 70 hat an diesem Sonntag die CSU gewählt. Er beobachte gerade "bedenkliche Parallelen zum Aufstieg der Nationalsozialisten. Vor allem, wenn man den Gauland reden hört." Dennoch sagt er: "Uns geht’s ja gut, aber die Flüchtlinge bekommen schon mehr als jemand, der von Hartz IV lebt."

Laut einer Sprecherin der Regierung von Niederbayern bekommt ein Flüchtling im Ankerzentrum – neben Heizung, gespendeter Kleidung und Lebensmitteln – 120,27 Euro Taschengeld im Monat. Außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung sind es 320,14 Euro.

Laut Hartz-IV-Rechner beträgt der aktuelle Basis-Regelsatz für Arbeitslose 416 Euro monatlich. Dazu gibt es Geld für Wohnung, Heizung und Medizin. Eltern und Schwangere erhalten zusätzliche Leistungen.

Der Wirtin in einem Gasthaus nahe dem Wahllokal in Mauth sind die Sympathien für die AfD unheimlich. Sie feiert nach der Hochrechnung das starke Ergebnis der Grünen und sagt: "Die Flüchtlinge haben hier nie Probleme gemacht."

Das gute Ergebnis der Grünen beschäftigt auch die AfD-Anhänger in Mamming. Mehr noch als das eigene Abschneiden, wenn man den Leuten auf der Raucherterrasse glaubt. In den Wahllokalen gehe es nicht mit rechten Dingen zu, sind sich hier viele sicher.

MdB Protschka: "Wir sind zweistellig, wir saufen weiter"

Der niederbayerische Bezirksvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka erzählt einer Reporterin auf der Terrasse, dass er die elf Prozent für seine Partei fantastisch finde. Schließlich sei man aus dem Stand zweistellig in den Landtag eingezogen. Wenig später klingt Protschka bei einer Zigarette mit Bekannten ganz anders. "Und dann muss man in Interviews noch erzählen, dass man sich freut", schimpft er.

Kurz darauf steigt er auf die Bühne im Saal. Mittlerweile ist es 20.15 Uhr. Auf der großen Leinwand läuft schon der Tatort. "Die ersten 50 Liter Freibier sind weg, aber ich hab’ noch mal 50 gekauft. Wir sind zweistellig, wir saufen weiter", schreit Protschka ins Mikrofon. Verhaltener Jubel. Der Saal leert sich schon langsam. Die ganz große Party bleibt aus.

Auch in Mauth sind die Straßen wie leer gefegt. Ein Mann läuft schwankend durch die schwarze Nacht. Er hat die AfD gewählt. "Wo sind denn unsere großen Firmen, alle Arbeitsplätze sind weg. Die müssen das mal spüren. Schauen sie sich die Straßen an, seit vier Jahren warten wir darauf, dass die repariert werden." Er deutet auf Schlaglöcher. "Wir sind von der Welt vergessen worden." So wie er empfinden hier viele – zwischen Lokalpatriotismus und Schuldzuweisung. Da kommt eine Katrin Ebner-Steiner gerade recht.

 

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