Ärztepfusch! Tochter klagt für ihre toten Eltern
Tanja L.s (28) Vater starb nach einer Krebsbehandlung. Und die Mutter rieb sich auf – im Kampf um Gerechtigkeit.
NÜRNBERG Ein Medizin-Drama vor Gericht: Eine Tochter verlor ihren krebskranken Vater verloren, der eine Hochdosis-Therapie im Klinikum nicht überlebte. Dann starb ihre Mutter, die sich im sechsjährigen Kampf gegen die Ärzte am Nürnberger Klinikum aufrieb. Jetzt führt Tanja L. (28) den Zivilprozess um Ärzte-Pfusch alleine weiter. „Das bin ich meinen Eltern schuldig“, sagt die Angestellte, die durch die massiven Schicksalsschläge nun selbst gesundheitlich angeschlagen ist. Es geht um 25000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz in unbestimmter Höhe.
Ohne die Behandlung hätte der Patient noch Jahre leben können
So begann das Drama: Werkmeister Günter L. (†52) war ein durchtrainierter Sportler, als er Anfang 2001 einen Knoten in der Leistengegend entdeckte. Die Diagnose ergab eine wenig aggressive Bluterkrankung: Non-Hodgin-Lymphom (B-Zell-Typ). Ehefrau Petra war da gerade im Nürnberger Klinikum erfolgreich in Behandlung wegen Brustkrebs. Deshalb ließ sich Günter L. dort eine Chemotherapie geben, die zur Rückbildung der Erkrankung führte.
Doch bei einem weiteren Termin wurde ihm zur vorsorglichen Hochdosis-Chemotherapie mit Ganzkörperbestrahlung und Transplantation von Stammzellen geraten – um einen Rückfall zu verhindern. Dass diese Methode noch im Versuchsstadium war, sagte man ihm nicht! „Hier hätte eine besonders umfassende Aufklärung erfolgen müssen“, erklärte Tanja L.s Anwalt Friedrich Raab. „Es wurde auch nicht erwähnt, dass hier die Sterblichkeitsrate von bis zu fünf Prozent besonders hoch ist.“ Bitter: Tanjas Vater hätte ohne die Behandlung statistisch noch Jahre leben können. So starb er am Ende der zweimonatigen Spezialtherapie.
„Vor deren Beginn hatte er sich wieder so gut gefühlt“, erinnerte sich seine Tochter. „Er joggte, beteiligte sich an Tennismeisterschaften, wollte wieder arbeiten. Doch mit der Therapie haben sie ihn systematisch zugrunde gerichtet.“ Nach der Hochdosis-Chemo hätten sie ihn in der Erlanger Uni-Klinik geradewegs verbrannt: „Seine Haut hing in schwarzbraunen Fetzen herab, man sah das rohe Fleisch“, so die Klägerin. „Sein Körper war von Wassereinlagerungen aufgedunsen.“
Er konnte nicht mehr atmen, fiel ins Koma und wurde ins Südklinikum abgeschoben. Günter L. starb nach vier Wochen im Koma an Nierenversagen und Lungenentzündung. Eine von seiner Witwe durchgesetzte Obduktion ergab: „Wir haben keine Spur der eigentlichen Erkrankung mehr im Körper gefunden“, so der Pathologe.
„Ich kämpfe weiter!“
Im Dezember 2007 stand der erste Prozess gegen das Klinikum an. War Günter L. nur das Versuchskaninchen einer neuen, aggressiven Behandlungsmethode, die trotz einer chronischen Entzündung an ihm durchgeführt wurde? Am Anfang schien alles eindeutig: „Hier liegt ein ärztlicher Behandlungsfehler vor. Er hat zum Tod des Patienten geführt“, stellte ein Gutachter der Bayerischen Landesärztekammer im Vorverfahren fest.
Doch eine jetzt vom Gericht bestellte Sachverständige ist anderer Meinung: Alles sei nach den üblichen Standards gelaufen, die einst umstrittene Therapie inzwischen anerkannt, obwohl sie keinen Überlebensvorteil zeige und Patienten wegen mangelnder Abwehrkräfte in eine lebensgefährliche Phase bringe. „Ich hätte auch so behandelt“, sagte sie. „Man hätte aber auch warten können.“
Die Tochter führt das Vermächtnis ihrer Eltern trotzdem fort. Sie sagt: „Ich kämpfe weiter!“cis
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