Ärger um Grundsteuer C: Bruchstelle Brachland

Neuer Zoff in der Spezi-Koalition: Wer sein Grundstück nicht bebaut, soll dafür mehr Steuern zahlen. So will es die GroKo, so will es auch die CSU. Die Freien Wähler stellen sich quer.
Ruth Schormann
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Die Baulandpreise steigen und steigen. Grundstücksbesitzer freuen sich über eine tägliche Wertsteigerung ihrer unbebauten Flächen. Die Grundsteuer C soll auch in Bayern helfen, Wohnraumbedarf schneller zu decken. Doch die Freien Wähler stellen sich dagegen.
imago images / Alexander Pohl Die Baulandpreise steigen und steigen. Grundstücksbesitzer freuen sich über eine tägliche Wertsteigerung ihrer unbebauten Flächen. Die Grundsteuer C soll auch in Bayern helfen, Wohnraumbedarf schneller zu decken. Doch die Freien Wähler stellen sich dagegen.

München - Auf Baustellen rumort's und es gibt Krach. So auch im Bayerischen Landtag - weil, vereinfacht gesagt, manchen gewisse Baustellen in Bayern fehlen. Es geht um die Einführung der Grundsteuer C (GstC), die helfen soll, Baulücken zu schließen und Wohnungsnot im Freistaat zu lindern. Doch die Freien Wähler stellen sich quer.

Erst vor wenigen Tagen hat sich Bayerns Städtetag-Chef Markus Pannermayr (CSU) für die Einführung einer Grundsteuer C ausgesprochen, die von 2025 an für baureife Grundstücke erhoben werden könnte. Das ist auf Bundesebene längst beschlossen.

"Wir brauchen viel mehr wirkungsvolle Instrumente vor Ort, die Grundsteuer C ist aus unserer Sicht eines davon.", sagt der Straubinger OB der AZ. "Aus Sicht des Bayerischen Städtetags würde sie uns helfen, brachliegende Flächen zu aktivieren und nutzbar zu machen." Auch in Straubing sei zusätzlicher Wohnraum, wie in vielen anderen Städten, ein Thema. "Der Vorstand des Bayerischen Städtetags hat die klare Erwartung formuliert, dass der Freistaat die bundesrechtlich vorgesehene Möglichkeit zur Grundsteuer C in einem Landessteuergesetz umsetzt", so Pannermayr weiter.

Freie Flächen liegen brach: Es muss nachverdichtet werden

Die Rechtsgrundlage auf Bundesebene ist längst da. Ab 2025 soll die Grundsteuer nun nach dem neuen Modell berechnet werden, die Länder haben bis Ende 2024 Zeit eigene Modelle auszugestalten. Die Kommunen fordern seit langem eine neue Grundsteuer, Stichwort Flächenfraß: Denn die Grundsteuer C soll vor allem für innerörtliche Grundstücke gelten, die brachliegen.

Es müsse nachverdichtet werden, ist die einhellige Meinung, bevor Bürgermeister gezwungen seien, auf der grünen Wiese neue Baugebiete zu erschließen. Ein Problem, das viele Rathauschefs in Bayern kennen dürften. Damit wird weiterem Flächenverbrauch Tür und Tor geöffnet.

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Die Grundsteuer C soll Gemeinden ermöglichen, für unbebaute, baureife Grundstücke einen erhöhten Hebesatz festzulegen. Den können Kommunen so hoch anlegen, dass es auch an die Schmerzgrenze der Eigentümer gehen könnte. Das soll dabei helfen, dass der Wohnraumbedarf, der nicht nur in Ballungsräumen wie München seit Jahren massiv steigt, schneller gedeckt werden kann, nennt die Bundesregierung das Ziel der Reform.

Freie Wähler: "Steuerschraube wird es mit uns nicht geben"

Wie schaut es im Freistaat aus? Man könnte sagen: einer gegen alle. Die CSU ist in weiten Teilen dafür, sagt ein Insider zur AZ. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt nach AZ-Informationen schon beim Finanzministerium. Aus gut unterrichteten Kreisen ist zu erfahren, dass das ganze Vorhaben nur am Veto der Freien Wähler scheitert. Ausgerechnet der Partei, die sich sonst so kommunalfreundlich gibt.

Die Freien Wähler (FW) lehnen eine Grundsteuer C ab, "da wir keine Vorteile für unsere Gemeinden erkennen können. Kein Grundstücksbesitzer wird beim derzeitigen Wertzuwachs wegen weniger hundert Euro zusätzlicher Grundsteuer sein Grundstück verkaufen", meinte dazu kürzlich der baupolitische Sprecher der Fraktion Hans Friedl. Das sei schlicht eine Frage des Hebesatzes, kontern Befürworter der Steuer.

Die FW-Fraktion mache sich "für ein einfaches Grundsteuersystem ohne zusätzliche Bürokratie stark. Eine Steuerschraube nach dem Motto 'und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt' wird es mit uns nicht geben", teilte Friedl außerdem mit.

Unternehmen wollen für zukünftige Entwicklungen vorsorgen

Doch das bayerische Finanzministerium, so erfährt die AZ aus gut unterrichteten Kreisen, vertritt die Auffassung, dass die Umsetzung nicht an der Verwaltung scheitert: Die Daten zu den Grundstücken seien da, könnten einfach an die Kommune übermittelt werden, die dann die Eigentümer anschreiben und über die Besteuerung informieren müsste.

Warum aber ist der orange Koalitionspartner so vehement dagegen? Rückenwind bei dieser Haltung weht auf jeden Fall aus Richtung der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Richtung der Freien Wähler: "Unternehmen wollen auch für ihre zukünftigen Entwicklungen vorsorgen und Flächen für Investitionen bereithalten. Eine neue Grundsteuer C würde diese Betriebe für ihre vorausschauende Planung bestrafen", sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl dazu bereits vergangenes Jahr. Auch solche Fälle könnte man gesetzlich regeln, kontern die Befürworter der GstC.

CSU-Politiker Brandl: "Diese hartnäckige Verweigerung ist indiskutabel"

Einer, den das Verhalten der Freien Wähler offenbar regelrecht wütend macht, ist Bayerns Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU). Der AZ sagt er: "Diese hartnäckige Verweigerung ist indiskutabel, kommunalfeindlich und Ausfluss einer höchst eigenartigen Auffassung von Gemeinwohlverpflichtung. Herr Aiwanger brüskiert zum wiederholten Mal seinen Koalitionspartner, der sich auf Bundesebene zur Einführung der Grundsteuer C im dortigen Koalitionsvertrag verpflichtet hat." Auch Pannermayr sagt der AZ: "Die Blockadehaltung der Freien Wähler zur Grundsteuer C ist für mich nicht nachvollziehbar."

Gemeindetagspräsident Brandl findet: "Wir können nicht über vorrangige Innenentwicklung philosophieren und ignorieren, dass es dazu Möglichkeiten braucht, um Eigentümer zu Investitionen zu 'motivieren', die freilich unliebsamer sind als der automatische Wertzuwachs durch Nichtstun." Brandls Eindruck: Aiwanger seien die Kommunen hier "ziemlich egal".

SPD: "Nicht, dass am Ende der Schwanz mit dem Hund wedelt"

Brandl erfährt als Abensberger Bürgermeister direkt vor Ort, wie sich das Nichtvorhandensein der Grundsteuer C auswirkt, wie er der AZ schildert: "Wir haben eine nicht zu befriedigende Nachfrage nach Wohnraum. Weil es nicht gelingt, ausreichend bebaubare Flächen zu generieren, steigen die Preise exorbitant."

Auch die SPD setzt sich für die Grundsteuer C ein. Der Münchner Landtagsabgeordnete Florian von Brunn sagt zur AZ: "Ich finde es extrem schlecht, dass die Freien Wähler hier blockieren im Interesse von Grundstücksbesitzern, die spekulieren wollen. Wir haben nicht nur in München die Situation, dass die Nachverdichtung im Inneren daran scheitert, dass solche Flächen blockiert werden."

Die Grundsteuer C hält von Brunn für ein "wirksames Instrument, um Flächen für den Wohnungsbau zu mobilisieren. Die Tatsache, dass sogar die CSU dafür ist, zeigt ja, dass es einen weitgehenden Konsens gibt." Die Freien Wähler machten sich seiner Ansicht nach hier zu einem "verlängerten Arm von Einzelinteressen von egoistischen Spekulanten, die einen Reibach machen wollen zulasten von Mieterinnen und Mietern", so von Brunn.

"Wir sind gespannt, ob die CSU sich da am Nasenring durch die Manege führen lässt, in so einer wichtigen Frage, bei der es um die Interessen ganz vieler Menschen geht. Ich würde schon erwarten, dass sich die CSU hier gegenüber dem Juniorpartner durchsetzt und nicht am Ende der Schwanz mit dem Hund wedelt".

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