Adidas feiert: Eine Kultmarke wird 60
Adi Dassler gründete den zweitgrößten Sportartikel-Hersteller der Welt in Herzogenaurach. „Die Liebe zum Schuh und zum Sport, das war sein Antrieb.“
HERZOGENAURACH Er war der Schuster der Stars. Und er machte das kleine Städtchen Herzogenaurach zur weltbekannten Adresse. Jetzt wird dort der 60. Geburtstag der Kultmarke Adidas gefeiert.
Um Gründer Adi Dassler ranken sich viele Legenden und Geschichten. Das Wunder von Bern, als die deutsche Nationalmannschaft bei Dauerregen 1954 Fußball-Weltmeister wurde, hat er mit seinen Schraubstollen möglich gemacht. Jesse Owens wurde 1936 in seinen Schuhen erfolgreichster Athlet der Olympischen Spiele in Berlin (s. S. 14).
Als offizielle Geburtsstunde von Adidas gilt die Eintragung ins Fürther Handelsregister am 18. August 1949. Doch schon Jahre zuvor hatte der Sohn eines Schuhmachers Athleten zur Gold-Medaille verholfen. Anfangs noch mit seinem Bruder Rudolf zusammen. Ende der 40er Jahre gingen dann beide getrennte Wege. Rudolf nannte seine Firma Puma, Adi seine Adidas.
Die ersten Schuhe waren schwer und klobig
Heute ist Sport ein Milliardengeschäft und Adidas der zweitgrößte Hersteller von Sportartikeln weltweit. In Hightech-Labors arbeiten Wissenschaftler daran, Materialien noch leichter, schneller, windschnittiger zumachen. Die ersten Lederschuhe von Adi Dassler wirken dagegen schwer und klobig. Und doch habe Adi Dassler die Sportwelt mit seinen Tüfteleien immer wieder revolutioniert, findet Karl-Heinz Lang (67).
30 Jahre arbeitete er für das Unternehmen. Die ersten Jahre noch mit dem Firmengründer persönlich. Inzwischen ist Lang pensioniert – widmet sich der Aufarbeitung der Adidas-Historie.
„Die Liebe zum Schuh und zum Sport, das war sein Antrieb“, sagt Lang. Jeden Morgen habe Dassler die wenigen Meter von der „Villa“, so nannten sie das Wohnhaus der Familie, in Testschuhen zur Firma zurückgelegt. An den Schuhen wurde so lange getüftelt, bis Dassler zufrieden war. „Er hatte eine unglaubliche Beobachtungsgabe“, erinnert sich Lang und hat dafür eines von vielen Beispielen parat.
Ferndiagniose am Fernseher
Am Fernseher habe Adi Dassler die Vorläufe zu den Olympischen Spielen in Montreal 1976 verfolgt, wobei ihm ein Sportler ins Auge stach, der unrythmisch lief: Alberto Juantorena. Eine Überprüfung der Schuhe gab Dassler recht. Mit nachgebessertem Schuhwerk erlief der Kubaner dann zwei Medaillen. Auch Hochsprung-Legende Dick Fosbury profitierte vom Erfindungsreichtum des Franken. Mit dem Amerikaner werkelte Dassler an einem neuen Schuh. Die Dornenanordnung an der Sohle ist heute noch Standard.
Was den Adidas-Veteran ärgert, sind die vielen Halbwahrheiten. „Die drei Streifen sind so ein Fall“, sagt Lang. „Die hatten nie eine stabilisierende Funktion, wie manche gedacht haben. Es ging allein um den Wiedererkennungseffekt.“ Dassler habe einige Varianten ausprobiert. Die Dreier-Kombination war aus der Ferne am besten zu sehen.
In Frage stellt Lang auch den viel kolportierten Bruder-Hass. „Sie standen in Wettbewerb miteinander. Doch sie waren immer noch Brüder.“ Aber es sei auch verständlich, dass die beiden stets miteinander verglichen wurden. „Es gab ja anfangs in Deutschland keinen anderen Konkurrenten.“ Das sollte sich allerdings ändern, als ab den 1970er Jahren Nike auf den Plan trat. Die Amerikaner schwammen auf der Jogging-Welle nach oben.
„Diesen Sport-Trend haben wir damals verschlafen“, räumt Lang ein. „Vielleicht lag das ja auch an unserer Bierdeckel-Mentalität.“ In dem beschaulichen Herzogenaurach, eingebettet in Wiesen und Wälder, hätte sich keiner vorstellen können, dass es einmal „in“ sein sollte, auf dem Asphalt der großen Städte zu joggen. Simone Hett