Achterbahnen-Checker: TÜV-Prüfer ohne Höhenangst

Rust – Christian Falk stürzt sich für seinen Beruf auch mal in die Tiefe. Er dreht sich häufig im Kreis und hat vielleicht auch mal Spaß auf der Achterbahn. Aber das spielt für ihn meist keine Rolle. Der Sicherheitsingenieur der Münchner Prüforganisation TÜV Süd ist Spezialist für Fahrgeschäfte in Vergnügungsparks und auf Volksfesten. Er nimmt das Kinderkarussell ebenso unter die Lupe wie den Freifallturm oder die Wildwasserbahn.
Im größten deutschen Freizeitpark, dem Europa-Park im badischen Rust, begutachtet er derzeit eine neue Holzachterbahn. Sie soll Ende März in Betrieb gehen. Falk und seine Kollegen haben schon vor der Premiere das Vergnügen. Sie sind unter den ersten Fahrgästen.
„Wir arbeiten, damit sich andere sorgenlos ins Vergnügen stürzen können. Unser Job ist es, auch die kleinste lockere Schraube zu entdecken“, sagt Falk. Er hat sich einen Bauhelm aufgezogen und ist 40 Meter in die Höhe geklettert. Auf die Spitze von „Wodan“. Sie ist die Hauptattraktion des Parks zum Start der diesjährigen Sommersaison. Für Bauingenieur ungewohntes Terrain: Neue Achterbahnen aus Holz in dieser Größenordnung sind selten.
„Es ist eine Menge Holz, die hier verbaut wird“, sagt der 40-Jährige. 21 000 Holzbalken bilden den Rahmen für die mehr als ein Kilometer lange, aus Stahlschienen bestehende Strecke. Bis zu 18 000 Menschen pro Tag sollen später die Bahn nutzen und mit bis zu 100 Stundenkilometern über das Holzgerüst rasen.
Bevor ein Fahrgeschäft freigegeben wird, wird es wie jede andere Maschine vom TÜV auf Herz und Nieren getestet. Falk macht diese Arbeit rund um den Globus. „Erstens prüfen wir die technischen Unterlagen und zweitens die Anlage an sich“, sagt er. Für den Sicherheitscheck klettern die Ingenieure über Schienen und auf Türme. Ein mulmiges Gefühl dürfen sie nicht haben. Und sie müssen schwindelfrei sein. Das wird regelmäßig von einem Arzt geprüft.
Falk schaut sich die 100 000 Schraubenverbindungen der Holzachterbahn in Rust an, die 315 Tonnen schweren Stahlbauten, er nimmt Elektronikteile unter die Lupe, das Bremssystem genauso wie die Sicherheitsbügel der Sitze. Mitfahren gehört auch dazu. Doch bevor Falk und seine Kollegen zusteigen, bringen sie Testpuppen in Fahrt. Diese sind mit Wasser gefüllt und werden auf die Achterbahnsitze gesetzt.
Die Fahrt mit Achterbahnen und anderen Fahrgeschäften soll bewusst als gefährlich empfunden werden. In Wirklichkeit ist sie es nicht, sagt Falk. Nach menschlichem Ermessen könne kein Unfall passieren: „Wenn die Besucher mit dem Auto kommen, dann haben sie den gefährlichen Teil des Tages eigentlich schon hinter sich.“ Hundertprozentige Sicherheit gebe es bei riskanten Fahrgeschäften jedoch nicht. Im Fachjargon heißt dies „Überlebenswahrscheinlichkeit“ - allerdings nicht von Fahrgästen, sondern von Bauteilen.
Fahrgeschäfte in Freizeitparks und auf Volksfesten müssen mindestens einmal jährlich vom TÜV geprüft werden. Denn sie sind im Dauereinsatz, transportieren Millionen Menschen. Ausgelegt sind sie auf eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren, die meisten sind aber weitaus länger in Betrieb. Extreme Neuheiten erwartet Falk nicht mehr: „Bei der Beschleunigung ist die Grenze erreicht“, sagt er. „Mehr geht nicht, das sagen uns die Werte der Flugmedizin“.
Privat steigen die Achterbahntester eher selten in Fahrgeschäfte. „In der Freizeit mag ich es gemütlich“, sagt Falk. Den Spaß am Achterbahnfahren während der Arbeitszeit hat er sich aber erhalten, trotz der beruflich bedingten Routine. Und mit seinen beiden Töchtern geht es jedes Jahr aufs Münchner Oktoberfest – Fahrt im Karussell oder der Achterbahn inklusive. Unter anderem dort nahm übrigens 1929 auch die Überprüfung der „fliegenden Bauten“, wie Fahrattraktionen von Experten genannt werden, ihren Anfang.