Acht Jahre für Schreiber: Grinsen bis zum Ende

Acht Jahre Haft für den 76-jährigen Karlheinz Schreiber: Das Augsburger Gericht fällt ein hartes Urteil – auch wegen seiner „beispiellosen Uneinsichtigkeit“. Und der winkt seiner Frau.
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Der frühere Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber muss für acht Jahre ins Gefängnis
dpa Der frühere Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber muss für acht Jahre ins Gefängnis

AUGSBURG - Acht Jahre Haft für den 76-jährigen Karlheinz Schreiber: Das Augsburger Gericht fällt ein hartes Urteil – auch wegen seiner „beispiellosen Uneinsichtigkeit“. Und der winkt seiner Frau.

Panzer, Politiker, Provisionen – ein Thriller mit vielen Kapiteln, der die Republik 15 Jahre lang in Atem hielt und jeden Mafia-Krimi übertraf: Gestern schlug das Landgericht Augsburg die letzte Seite auf. Der „Pate“, inzwischen ein alter Mann, muss für den Rest seines Lebens in den Knast. Karlheinz Schreiber (76), der Drahtzieher einer der größten Affären Deutschlands, wird zu acht Jahren Haft verurteilt. Richter Rudolf Weigell: „Er war raffgierig und maßlos. Er hat jeden und alles geschmiert und dabei den Fiskus betrogen, wo es nur ging.“

Für einen Moment vergeht Karlheinz Schreiber sein Dauergrinsen. Er erstarrt, wird kreideblass. Der unscheinbare Selfmade-Mann, der seine Karriere als Teppichverkäufer und Straßenmarkierer im oberbayerischen Kaufering begann, und das politische Deutschland ins Wanken gebracht hatte, scheint es nicht glauben zu wollen. Altkanzler Helmut Kohl (CDU) war wegen ihm mit seinen Schwarzgeld-Kassen aufgeflogen. Sein Kronprinz Wolfgang Schäuble (CDU), der heutige Finanzminister, musste zurücktreten, weil auch er Geld genommen hatte. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel war damit er Weg frei. Fahnder jagten fünf Jahren in der ganzen Welt Holger Pfahls, einem flüchtigen Ex-Mitglied der Bundesregierung, hinterher. Und in Bayern ging die Familie des CSU-Denkmals Franz Josef Strauß unter.

Schnell gewinnt Schreiber wieder seine Fassung. Zu Beginn der Urteilsverkündung hat er noch getönt: „Guten Morgen, ja, was ist denn hier los? Ich bin zufrieden.“

Nun ist binnen Minuten alles anders. Immer wieder sucht sein Blick während der 30-minütigen Urteilsverkündung seine Frau Barbara. Sie sitzt mit Freunden in der vierten Zuschauerreihe. Ein Küsschen wirft er ihr zu, winkt ihr lächelnd, zeigt mit seinem Daumen nach oben, während der Richter den Schuldspruch vorträgt. 33 Millionen Euro Provisionen hat Schreiber aus dem Verkauf von Panzern, Airbussen und Hubschraubern über ein Geflecht aus Scheinfirmen und Schweizer Konten am Fiskus vorbeigeschleust und ihn um 7,5 Millionen Euro Steuern hintergangen. „Der Angeklagte ist ein ganz Großer, jedenfalls was die Steuerhinterziehung betrifft“, sagt der Richter.

Von seinem versteuerten Einkommen habe er sich seinen aufwendigen Lebensstil nicht leisten können. „Ein 10000-Quadratmeter-Areal in Kaufering, mit einem kleinen Schlösschen, dessen Inneneinrichtung allein sechs Millionen Mark gekostet hat", so Weigell. Dazu weiter sechs bebaute Grundstücke in der Umgebung und Immobilien im „schönen, aber teuren“ Pontresina in der Schweiz.

Dem Angeklagten wirft der Richter eine „weit über das normale Maß hinausgehende beispiellose Uneinsichtigkeit“ vor. Kontonummern habe Schreiber als „Skischlossnummer seiner Frau“ bezeichnet. Weigell: „Seine Aussagen waren nur Skischlossniveau und von Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten.“

Schreiber hat keinen Finger gerührt, um den Schaden wiedergutzumachen. Im Gegenteil: Er leistete auch noch den Offenbarungseid, damit der Fiskus bei ihm ja nichts holen kann. Wegen „Vorteilsgewährung“ kann Schreiber nicht mehr verurteilt werden. Hier ist bereits die Verjährung eingetreten.

Der Mann, der sich für unantastbar hielt, grinst bis zum bitteren Ende. Noch ein Luftküsschen für seine Frau. Dann verabschiedet er sich aus dem Gerichtssaal: „Ihnen alles Gute und Ihren Familien auch. Danke für's kommen."

Zu seinem Urteil, acht Jahre Haft, fehlen ihm aber die Worte. Und es werden wohl die vollen acht Jahre für den 76-Jährigen werden: Die Augsburger Justiz signalisiert bereits, dass eine Zwei-Drittel-Lösung, also vorzeitige Entlassung nach dem Absitzen dieses Anteils, nicht drin ist.

Für Chefermittler Reinhard Nemetz ist das harte Urteil eine persönliche Genugtuung. „Wir erwischen sie alle“, hatte er in all den Jahren immer wieder versichert, auch wenn es manchmal nicht danach aussah. Und Schreiber aus Kanada keifte: „Wenn Dummheit weh täte, wäre Nemetz schon lange tot.“

Zehn Jahre hatte Nemetz warten müssen, bis der Angeklagte im August 2009 aus Kanada ausgeliefert worden war. Extra wegen des Leitenden Oberstaatsanwalts hat das Gericht das Urteil verschoben. Nemetz war erst am Wochenende aus dem Urlaub zurückgekehrt und sollte seinen großen Triumph miterleben. „Natürlich ist es eine Genugtuung“, sagt er und gibt sich wortkarg. „Es ist nicht meine Art, auf Leuten, die am Boden liegen, noch herumzutreten. Herr Schreiber ist schon über 70 und liegt jetzt am Boden."

Doch ganz aufgegeben hat der alte Mann noch nicht. Er will nun in Berufung gehen, durch alle Instanzen.

Doch die Steuerhinterziehung ist Peanuts gegen den Schaden, den er der Bundesrepublik zugefügt hat. Er hat gezeigt, dass sie korrumpierbar und eine Bananenrepublik ist.

Angela Böhm

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