Abwarten und Tee trinken

Menschenschlangen, große Dramen und Diskussionen: ein Streifzug vorm Finale des Filmfestivals Türkei / Deutschland.
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Lange Schlangen und manchmal auch lange Gesichter: Die Festivalkasse im Glasbau des Nürnberger Künstlerhauses.
Berny Meyer Lange Schlangen und manchmal auch lange Gesichter: Die Festivalkasse im Glasbau des Nürnberger Künstlerhauses.

NÜRNBERG - Menschenschlangen, große Dramen und Diskussionen: ein Streifzug vorm Finale des Filmfestivals Türkei / Deutschland.

Vor der Kasse im Glasbau bildet sich eine zähe Schlange, in der mehrsprachig debattiert wird. Daneben wächst an der Wand das Medienecho, erstaunlich viele aus türkischen Zeitungen, passend zur Festivalbedeutung. Im überfüllten Café wird Cay angeboten, der kräftige türkische Tee, in einer Ecke stehen Regisseur Michael Verhoeven und Heinz Badewitz, der Macher der „Hofer Filmtage“, und ratschen zwischen ihren Jury-Einsätzen. Es sind eher unscheinbare Momente wie diese, die dem Filmfestival Türkei / Deutschland sein unverwechselbares Flair verleihen. An diesem Abend wimmelt das Festivalzentrum, die Filmhaus-Etage des KuKuQs-Künstlerhauses, vor Beginn der ersten Filmrunde um 19 Uhr vor Menschen.

Sie wollen vor allem die Spielfilme des auf Touren gekommenen Wettbewerbs sehen wie „Gitmek — My Marlon and Brando“, der im gut gefüllten Festsaal läuft. Er erzählt die Geschichte von Ayca, die sich nach Ausbruch des Zweiten Golfkriegs in den Nordirak aufmacht, um dort den Geliebten zu finden.

Regisseur Hüseyin Karabey setzt in seinem Film auf Handkamera, Improvisationen und trashige Videoschnipsel. Technisch zweifelhaft, beeindruckt eine Hauptfigur, die mit dem Kopf durch die Wand will.

Im Publikumsgespräch mit Aica Damgaci, die auch am Drehbuch beteiligt war, stellt sich das Ende ihrer „wahren Geschichte“ als fiktiv heraus: Im Film stirbt der Held im Kugelhagel, während sich das Paar im richtigen Leben schlicht auseinanderlebte.

Obwohl sich das Publikum wie auf dem gesamten Festival etwa zur Hälfte in deutsch- und türkischsprachige Gäste teilt, werden die meisten Fragen auf Türkisch gestellt. Das mag bei deutschen Produktionen anders sein. Dennoch fällt auf: Unter türkischen Besuchern geht es herzlicher, familiärer zu.

Schon an der Kasse, an der es trotz Überangebot oft „Ausverkauft!“ heißt. Alternativen gibt es immer: Zeitgleich mit „Gitmek“ läuft im Filmhaus Olaf F. Wehlings karges, aber mit starken Bildern einen alten Mythos neu erzählendes Drama „Kronos“, im KommKino der erste Block des Dokumentarfilmwettbewerbs. Obwohl sich Programmkuratorin Katrin Rist über ein gut besuchtes Startwochenende und den Spielfilmwettbewerb freut, ist sie mit dem Besuch der Dokumentarfilme nicht zufrieden: „Das ist schade, denn die haben oft eine sehr hohe Qualität.“

Die großen Erzählungen ziehen stärker als engagierte Sozialreportagen. So ist auch der Wettbewerbsfilm „Mommo – Der schwarze Mann“ im FilmhausKino ausverkauft. Ein Junge lebt mit seiner kleinen Schwester beim kranken Großvater. Die Mutter ist tot, der Vater ein Feigling, der unter dem Pantoffel seiner neuen Frau steht. In warmen Bildern weicht diese holzschnittartige Ausgangssituation einer stillen, berührenden Geschichte um den Überlebenskampf zweier Kinder — sicher ein Preiskandidat.

Wieder gibt es eine Diskussion, diesmal mit dem Regisseur Atalay Tasdiken. Draußen geht derweil die Johannes-Reis-Jazzformation in eine Pause. Schade, denn Musik hätte die Festivalumarmung sein können für alle, die jetzt noch Lust auf ein Glas haben. Etliche bleiben dennoch, nachdem sie die Bewertungskarten für den Publikumspreis ausgefüllt haben. Wie Hilde Brückner und ihr Mann, die schon öfter auf dem Festival waren. „Überzeugend“ fanden sie „Mommo“. Und Katja Raum, die mit einer Bekannten in der zur roten Lounge umgestalteten Glasbau-Etage sitzt, meint: „Der Film hat mich sehr beeindruckt. Und das Festival gewinnt von Jahr zu Jahr!“ Georg Kasch

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