Abschiebungsdrama im Morgengrauen

Polizisten reißen eine fünfköpfige Familie in Reifenthal aus dem Schlaf und schicken sie zurück in den Kosovo. Nachbarn entsetzt das „martialische Gebaren“.
von  Natalie Kettinger
Flüchtlinge aus dem Kosovo. Seit Jahresbeginn sind knapp 3000 Menschen aus dem bettelarmen Balkanstaat in Bayern angekommen.
Flüchtlinge aus dem Kosovo. Seit Jahresbeginn sind knapp 3000 Menschen aus dem bettelarmen Balkanstaat in Bayern angekommen. © dpa

Polizisten reißen eine fünfköpfige Familie aus dem Schlaf und schicken sie zurück in den Kosovo. Nachbarn entsetzt das „martialische Gebaren“.

Reifenthal - Die Polizisten kamen um 6.45 Uhr. Sie waren zu acht. Und in Eile: Dekim G., seine Frau und die drei Kinder hatten eine halbe Stunde Zeit, um ihre Koffer zu packen. Dann wurden sie zum Münchner Flughafen gebracht und in eine Chartermaschine gen Pristina gesetzt – Abschiebung in den Kosovo. Die Nachbarn der Flüchtlinge in Reifenthal (Kreis Regensburg) sind entsetzt über das harsche Vorgehen. „Der Vater hatte einen Antrag auf freiwillige Ausreise gestellt, um seiner Familie genau dieses Trauma zu ersparen“, sagt Christine Popp, eine Ärztin aus dem Dorf. „Dass sie nicht bleiben können, war klar. Aber sie wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln, ist nicht in Ordnung. Dieses martialische Gebaren hätte es nicht gebraucht.“

Maggi (7), Abdullah (12), Amdi (15) und ihre Eltern sind Roma und wurden im Kosovo diskriminiert: „Das Haus, in dem sie dort gelebt haben, wurde angezündet“, erzählt Christine Popp. Dem jüngeren Sohn sei außerdem der Zugang zur Schule verwehrt worden.

Im August war die Familie deshalb nach Deutschland geflohen. Ende November wurde sie in einer Wohnung in Reifenthal einquartiert. „Die Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft war sofort groß“, sagt die Medizinerin. Viele Reifenthaler hätten Kleidung und Lebensmittel für die Flüchtlinge gespendet. Sie selbst habe nach ihnen geschaut, wenn es gesundheitliche Probleme gab.

„Der Vater war im Kosovo wohl als Handwerker tätig. Er hätte auch hier unheimlich gerne gearbeitet – selbst für einen Euro. Aber es hat sich nichts ergeben.“ Schließlich wurde der Asylantrag der Familie negativ beschieden. Und noch während sein Anwalt eine Klage gegen die Ablehnung vorbereitete, beschloss Dekim G., freiwillig zurückzukehren.

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„Erst am Donnerstag waren die Eltern zum Tee bei uns. Sie haben um Koffer für die Reise gebeten. Sie waren abreisebereit und abreisewillig“, sagt Christine Popp. „Sie haben darauf gewartet, dass man ihnen einen Termin mitteilt. Dann hätten wir in der Nachbarschaft noch ein Abschiedsfest veranstaltet und Geld für den Neustart gesammelt.“

Doch so weit kam es nicht. Dienstagfrüh rollten zwei Kleinbusse der Polizei auf den Hof. „Die Familie hat von nichts gewusst. Sie war völlig überrumpelt.“ Nicht einmal die engste Vertraute der Flüchtlinge, eine Nachbarin, habe zu ihnen gedurft: „Polizei-Aktion, kein Zutritt“, habe es geheißen. „Ihr ist nichts anderes übrig geblieben, als die weinende Frau und das völlig verstörte Mädchen im Hof zu trösten, bevor sie in die Busse einsteigen mussten.“

Zurück blieben Maggis erstes Zeugnis, das sie am Freitag bekommen hatte, Schuhe und Medikamente. In der Eile hatte die Familie nur das Nötigste einpacken können. „Ganz ungut“ sei diese Ausweisung gelaufen, bestätigte Landrätin Tanja Schweiger der „Mittelbayerischen Zeitung“.

Dass Abschiebungen oft recht ruppig ablaufen, unangekündigt und im Morgengrauen, ist laut Bayerischem Flüchtlingsrat keine Seltenheit. So soll verhindert werden, dass die Betroffenen abtauchen. Bei einer Familie, die freiwillig gehen wollte, sei dieses Vorgehen aber „schlicht eine Schweinerei“, sagt Sprecher Stephan Dünnwald, der dahinter politisches Kalkül vermutet. „Offenkundig will Innenminister Herrmann zeigen, dass Bayern jetzt hart durchgreift“, sagt er. „Da wird willkürlich eingepackt und abgeschoben, um den Menschen im Kosovo zu beweisen: Ihr habt hier keine Chance.“

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