75 Opfer! Kinderschänder gab sich als Polizist aus

Mit dieser Masche hatte er immer leichtes Spiel. 15 Jahre lang konnte Richard L. (41) in ganz Bayern sein Unwesen treiben. Jetzt stand er in Nürnberg vor Gericht.
NÜRNBERG Richard L. (41) sieht harmlos aus – doch der Junggeselle aus Ingolstadt ist ein übler Sexualstraftäter. Am Donnerstag stand der Mann, der sich bei seinen Taten oft als Polizist ausgab und eine Spur des Schreckens durch ganz Bayern zog, vor dem Nürnberger Landgericht. Mindestens 75 Kinder zwischen drei und elf Jahren wurden zwischen 1994 und 2008 seine Opfer.
Die 18-seitige Anklageschrift der Staatsanwaltschaft listet auf: Bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit machte sich der Arbeiter an kleine Kinder heran. Er unterschied nicht zwischen Jungen und Mädchen, er scheute kein Risiko, um ans Ziel seiner perversen Wünsche zu kommen – und er kannte keine Skrupel, um seine Lust zu befriedigen.
Viele Opfer melden sich nicht aus Scham
Uniformähnliche Bekleidungsstücke und angebliche Dienstausweise machten ihm den Weg bei den Kindern frei. Er sprach sie auf der Straße an, verwickelte sie auf Spielplätzen in ein Gespräch, oder „köderte“ sie mit Pornofotos, die er „zufällig“ in deren Reichweite verlor. In einzelnen Fällen klingelte er sogar an der Wohnungstüre. Hatten die Kleinen erst einmal Zutrauen gefasst, begann für sie der Schrecken. Meistens lockte Richard L. seine Opfer in dunkle Kellerräume, wo er sich an ihnen verging.
Zum Glück brach nicht immer sein Gewaltpotenzial durch. Manchmal flüchtete er, wenn Kinder zu schreien begannen, manchmal beließ er es bei exhibitionistischen Handlungen oder dem Vorzeigen pornografischer Abbildungen oder machte Nacktaufnahmen von den Kindern.
Doch den Ermittlungen zufolge konnte es auch anders laufen. Einem sechs Jahre alten Buben etwa öffnete er gewaltsam den Mund, um sich oral befriedigen zu können. Derart demütigende Praktiken mussten auch andere Kinder über sich ergehen lassen – vielen Opfern setzte er eine abgeklebte Taucherbrille auf.
Die Polizei, die die Spur des Serientäters quer durch ganz Bayern verfolgte, ging nach Abschluss der Ermittlungen davon aus, dass die Zahl der Opfer noch wesentlich höher sein könnte. „Viele melden sich aus Scham nicht bei uns“, erklärte ein Ermittler.
Ein Gutachter bescheinigte ihm eine verminderte Schuldfähigkeit
Spermaspuren an der Kleidung von Opfern und eine freiwillige Speichelprobe identifizierten den Täter eindeutig. In elf Fällen wurde die Anklage wegen mangelnder Beweise fallen gelassen, bei 41 weiteren Delikten war das Gericht jedoch von der Schuld des Angeklagten überzeugt.
Richard L. legte gestern im Prozess ein Geständnis ab, konnte sich in vielen Fällen aber nur noch an die einzelnen Tatorte, nicht mehr aber an das jeweilige Schreckens-Szenario erinnern. Aufgrund seiner Aussagen blieb seinen Opfern immerhin eine Zeugenaussage vor Gericht erspart.
Ein Gutachter bescheinigte dem Kinderschänder eine verminderte Schuldfähigkeit, das Gericht schickte ihn aber dennoch für sieben Jahre hinter Gitter.
Helmut Reister