60 Tage in Fesseln: Kein Prozess gegen Ärzte

Zwei Monate lang fixieren Mediziner den Psychiatrie-Patienten Martin R. ans Bett. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft entschieden, dass dieses Vorgehen rechtlich in Ordnung ist.
Helmut Reister |
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In solchen Betten werden Patienten in Straubing fixiert.
In solchen Betten werden Patienten in Straubing fixiert.

Taufkirchen - Die 60-tägige Dauerfixierung des Psychiatrie-Patienten Martin R. in der Forensik des Isar-Amper-Klinikums im niederbayerischen Taufkirchen bleibt ohne strafrechtliche Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft Landshut hat das Ermittlungsverfahren gegen die drei verantwortlichen Ärzte eingestellt. Ein strafrechtlich relevanter Vorwurf könne ihnen nicht gemacht werden, heißt es in der Einstellungsverfügung.

Der Fall, der durch den Unterstützerkreis von Deutschlands bekanntestem Psychiatrie-Patienten, Gustl Mollath, bekannt geworden war, hatte für erhebliches Aufsehen gesorgt und eine Debatte über die Notwendigkeit und Zulässigkeit von Fixierungen in der Psychiatrie ausgelöst. Nicht nur in den sozialen Medien zeigten sich die Nutzer entsetzt über den zweimonatigen Gewaltakt gegenüber dem Psychiatrie-Patienten, auch eine ganze Reihe von Landtagsmitgliedern mahnten eine Aufklärung der Vorkommnisse in der Klinik an. In Gang gesetzt wurden die Ermittlungen der Landshuter Staatsanwaltschaft durch den Internet-Aktivisten und „Plagiatsjäger“ Martin Heidingsfelder.

Er spielt im Mollath-Unterstützerkreis eine zentrale Rolle und zeigte vor fast zwei Jahren die verantwortlichen Ärzte wegen Freiheitsberaubung an. Die Strafanzeige, die er zusammen mit Gustl Mollath einreichte, untermauerte er mit einer Vielzahl von Klinik-Dokumenten, Telefonmitschnitten und Zeugenaussagen, die wenig Zweifel am brachialen Umgang von Ärzten und Pflegern mit dem Patienten ließen. So soll Martin R. von Oktober bis Dezember 2011 über einen Zeitraum von 60 Tagen so ans Bett gefesselt worden sein, dass er sich überhaupt nicht mehr bewegen konnte.

Zu einem anderen Ergebnis kam jetzt auch die Staatsanwaltschaft nicht: Die Ermittlungen hätten die Angaben Heidingsfelders bestätigt, schreibt sie. Dennoch gab sie der Argumentation der Ärzte recht. Von „nachvollziehbarer ärztlicher Gefahrprognose“ ist die Rede, von „aggressiven Durchbrüchen und Drohungen“, vom „Beurteilungsspielraum“ und „allgemeinen Vorschriften“. Professor Matthias Dose, Chefarzt der Taufkirchener Forensik, beteuert immer wieder: „Mir blieb gar keine andere Wahl.“

Das extreme Vorgehen rechtfertigt er mit der hohen Gefahr und der Gewalttätigkeit, die von dem Patienten ausgehe. Wiederholt habe er ihn, Ärzte und Pflegepersonal mit Mord bedroht. „Rechtlich stellt der festgestellte Sachverhalt keine rechtswidrige Freiheitsberaubung dar“, entscheidet die Staatsanwaltschaft daher. Der Mollath-Unterstützerkreis will mit allen juristischen Mitteln gegen dagegen vorgehen. Martin R. ist ein ausgesprochen schwieriger Patient. Er sitzt nach einem Mord seit 1994 in der Psychiatrie, zuerst in Kaufbeuren im Allgäu, später in der zentralen Einrichtung für psychisch kranke und schwere Straftäter im Bezirkskrankenhaus Straubing. Weil Martin R. transsexuell ist und sich als Frau betrachtet, wird er in die geschlossene Abteilung für Frauen nach Taufkirchen verlegt. Diese Verlegung prüft die Staatsanwaltschaft in einem eigenen Verfahren. Inzwischen ist Martin R. wieder in Straubing.

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