50 Jahre Nationalpark Bayerischer Wald: Erfolgreiche Rebellen in Grün

München - Zahlreiche Zweibeiner und Vierbeiner - darunter vier zottelige Wisente aus Polen sowie zwei aus Rumänien und Finnland eingeführte Luchs-Pärchen - waren zugegen, als Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) am 7. Oktober 1970 in einer Holzbaracke bei Neuschönau den ersten deutschen Nationalpark eröffnete.
Anschließend feierten die beteiligten Landkreise Grafenau und Wolfstein mit einem fünf Tage dauernden Volksfest die Verwirklichung eines bahnbrechenden, bis zuletzt befeindeten Projekts, das Naturschutz, Fremdenverkehr, Volksbildung und Forschung umfasste.
Nationalpark Bayerischer Wald: Rumpfprogramm zum Jubiläum
Nicht annähernd so feierlich kann dieser "Nationalpark Bayerischer Wald" nun am Mittwoch, 50 Jahre später, seinen runden Geburtstag ausrichten.
Eigentlich sollten tägliche Events, beginnend mit einem "Tag der Region", das Jubiläum ganzjährig begleiten. Das alles ist der Pandemie zum Opfer gefallen. Ein Rumpfprogramm mit beschränkter Teilnehmerzahl und strengen Geboten muss es nun auch tun. Im Juni nächsten Jahres aber soll alles mit einer großen Feier nachgeholt werden.
Immerhin hat die Parkverwaltung in Abstimmung mit dem Landkreis (er heißt mittlerweile Freyung-Grafenau) die diesjährige Herbstsaison verlängert.
Noch bis 29. November pendeln die kostenlosen Igelbusse. Bis dahin laufen auch die Führungen. Im Tiergehege gilt Einbahnverkehr. Zudem werden Video-Rundgänge angeboten.
Es begann mit einem Trupp unbeirrbarer Kämpfer
Die Besuchereinrichtungen verlängerten ihre Ausstellungen zu "50 Jahre Waldentwicklung", "Zu Wildpferd, Wolf uns Luchs", "Zehn Dinge, die wir in 50 Jahren gelernt haben" und zu anderen Themen. 50 Jahre blenden die Dokumentationen zurück.
Es war ein Trupp unbeirrbarer Kämpfer, die nicht nur Naturliebe und Fachwissen hatten, sondern auch Visionen. Ihre Widersacher waren mächtig, einer war der Regierungspräsident der Oberpfalz. Damals setzte die Politik total auf Tourismus in diesem strukturschwachen Mittelgebirge am Eisernen Vorhang. Die Kuppelgipfel von Lusen und Arber sollten mit einem Skizirkus bestückt werden, wie bereits und bis heute der Große Arber.
Die Ausstellungen erinnern auch an die letztlich erfolgreichen Rebellen in Grün.
Da waren Politiker wie Bayerns Landwirtschafts- und Forstminister Hans Eisenmann (CSU), Naturschutz-Pioniere wie der später erblindete Hubert Weinzierl und Bernhard Grzimek, Forstleute wie der Gründungsdirektor Hans Bibelriether, fachkundige Berater wie der Münchner Professor Wolfgang Haber, und der schwedische Wolfskenner Eric Zimen, engagierte Publizisten wie Horst Stern und Erich Seydel, Träger des Bayerischen Naturschutzpreises. Sie alle und andere verband eine scheinbar simple Philosophie: "Natur Natur sein lassen".
Nationalpark Bayerischer Wald: Attraktion im Freistaat
In letzter Konsequenz kam diese Idee immer dann zum Tragen, wenn Windwürfe und Borkenkäfer große Teile des Waldes niederwarfen. Nichts wurde dann abgeräumt, langsam aber stetig blühte neues Leben aus dem Totholz.

Minister Eisenmanns einsame Entscheidung nach dem Gewittersturm vom 1. August 1983, alles liegen zu lassen, um den Urwald auch noch "für unsere Kindeskinder zu erhalten", hat tatsächlich eine geradezu üppige Naturverjüngung entlang der 1990 geöffneten Staatsgrenze hervorgebracht.
Heute liegt die Zahl der Touristen, die sich auf den über 200 Kilometer Wanderwegen und Stegen, in den Museen, Lehrstätten und Camps des auf 24.300 Hektar angewachsenen Parks tummeln, alljährlich knapp über 1,4 Millionen. Längst gehört das Großschutzgebiet mit seinen Urwäldern, Mooren, Bergbächen, Seen und Schachten zu den meistbesuchten Attraktionen im Freistaat.
Neuerdings ist ein "massiver Besucherandrang" zu melden. Forstwissenschaftler Jörg Müller erklärt den Boom damit, dass ein "entspannter, naturnaher Erholungsraum" von der Krise gestresste Menschen besonders anzieht.
Staus an den Aussichtskanzeln
Der Ansturm hat natürlich Belastungen zur Folge. An den Aussichtskanzeln im Tiergehege kam es zu Staus. Andererseits gab es auch Entlastungen. So "entschleunigte" sich die Balzzeit des Auerhuhns im Frühjahr, weil wegen Corona zunächst weniger Besucher kamen und der Charaktervogel des Parks kaum gestört wurde.
Auch in Zeiten der Seuche und der knappen Kassen sollen die Forschungsprojekte fortgeführt werden, viele in enger Zusammenarbeit mit Experten des angrenzenden tschechischen Nationalparks Sumava.
Hierbei geht es beispielsweise um seltene Baumarten, um die Entwicklung unzähliger Arten von Pilzen und Bakterien beim Abbau von Totholz, um ein besseres Verhältnis zwischen Tourismus und Natur.
Nationalpark Bayerischer Wald wird noch größer
Am Dienstag hat Bayerns Kabinett beschlossen, was Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schon angekündigt hatte: Der Park wird um "mehr als 600 Hektar" erweitert - und damit zum größten deutschen Wald-Nationalpark. "Zugleich machen neue Besucherprojekte den Nationalpark Bayerischer Wald noch attraktiver", hieß es im Bericht aus der Sitzung.
SPD und Grüne wollen immer noch einen dritten Nationalpark: "Der Nationalpark Bayerischer Wald übernimmt eine Mammutaufgabe für Bayern - und er braucht Verstärkung durch einen weiteren Nationalpark im Steigerwald", sagte Grünen-Landeschefin Eva Lettenbauer am Dienstag.
Der umweltpolitische Sprecher der SPD, Florian von Brunn, teilte mit: "In Bayern fehlt noch ein großes Schutzgebiet für den Laubwald, insbesondere für die Buche. Deswegen wollen wir weiterhin eine Machbarkeitsstudie für einen Nationalpark Steigerwald."

Luchs und Wolf bleiben wichtigste Forschungsobjekte
Der Direktor des Nationalparks Bayerischer Wald Franz Leibl ist von der Erweiterung begeistert. Er gewinnt sogar der Corona-Krise etwas Positives ab; "Wenn wir als Erkenntnis mitnähmen, dass Natur einen höheren Stellenwert verdient, wäre schon mal ein großer Wunsch erfüllt."
Naturgemäß bleiben die Tiere dieser "gezähmten Wildnis" weiterhin im Fokus. Eine grenzüberschreitende Fragestellung lautet etwa: Können Raubtiere einen Beitrag zur Lösung des Wald-Wild-Konflikts in Kulturlandschaften leisten? Insgesamt hat man bisher über 10.800 Tierarten ausfindig gemacht: etwa 15 Prozent aller in Deutschland bekannten Lebewesen.
Intensiv bearbeitete Forschungsobjekte bleiben die Luchse sowie die Wölfe. Bayerische und tschechische Wissenschaftler haben kürzlich zwei "standorttreue" Wolfs-Rudel ausgemacht und deren Jungtiere in eine Fotofalle gelockt. Im Gehege sind derzeit fünf Wölfe unschwer zu besichtigen.
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Karl Stankiewitz hat die Geschichte des Nationalparks Bayerischer Wald im Buch "Gezähmte Wildnis" beschrieben.