40 000 Nürnberger sind schwul!
Am Wochenende steigt die große CSD-Party am Jakobsplatz. Am Dienstag empfängt OB Ulrich Maly die Aktivisten.
NÜRNBERG Für Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly ist dieser Termin eine Selbstverständlichkeit: Er wird am Samstag mit der Grünen-Abgeordneten Christine Stahl wieder die Schirmherrschaft für den elften Nürnberger Christopher Street Day übernehmen. „Es geht darum, einer Minderheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Das gehört zur Stadt der Menschenrechte“, so Maly. Und zu dieser Stadt scheinen offenbar ziemliche viele Schwule und Lesben gehören! Denn nach Hochrechnung des „Schwul-lesbischen Zentrums Fliederlich“ ist jeder zehnte erwachsene Nürnberger homosexuell. Das sind rund 40.000 Menschen, die gleichgeschlechtlich leben.
Gute schwule Infrastruktur in Nürnberg
Eine bemerkenswerte Zahl, gelten im Bundesschnitt doch nur rund vier bis sechs Prozent der Bevölkerung als homosexuell! Ralph Hoffmann von Fliederlich: „Viele Schwule zieht’s in die Großstadt Nürnberg, weil es hier eine gute Infrastruktur für sie gibt.“ Tatsächlich: Allein der Sozialatlas weist 18 verschiedene Gruppen und Organisationen für Homosexuelle aus, von der „Ökonomischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche“ über die „Rosa Hilfe“ bis hin zu „Gehörlose Lesben und Schwule“.
Was aber nicht heißt, dass es keine Probleme nach sich zieht, in Nürnberg homosexuell zu sein. Betroffene berichten zum Beispiel von rechten Schlägertrupps, die es gezielt auf Schwule abgesehen haben. Außerdem haben gerade in einer überschaubaren Stadt wie Nürnberg viele Homosexuelle Angst, unfreiwillig geoutet zu werden – verbunden mit gefürchteten Repressalien wie Mobbing im Beruf.
Nicht jeder ist so mutig wie der Grüne Jürgen Wolff
Das hält viele Nürnberger – egal ob Politiker oder Pizzabäcker, Künstler oder Konditor – vor dem Schritt in die Öffentlichkeit ab. Nicht jeder ist so mutig wie der grüne Stadtratspolitiker Jürgen Wolff, der seit Jahrzehnten offen schwul lebt. So werden viele Beziehungen im Dunkeln geführt, die große Liebe wird versteckt.
Fliederlich-Vorstand Dieter Barth kennt einen evangelischen Pastor, der Probleme bekam, als sein Freund ihn im Pfarrhaus besuchen wollte. Auch 2008 steht in 80 Ländern Homosexualität unter Strafe, im Iran droht der Tod – und im nahen Ungarn prügelten Schlägertrupps Teilnehmer des CSDs durch die Budapester Straßen.
Oberbürgermeister Ulrich Maly wird heute die Macher des CSD zum Stadtempfang ins Rathaus einladen: „Das ist durchaus als politisches Signal zu verstehen“. Ein Signal, das wohl vielen den größten Schritt ihres Lebens ein wenig leichter fallen lassen könnte – sich zu outen.
Mehr über Nürnbergs Schwule und den CSD lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Dienstag, 29. Juli.