350 Jahre Bräustüberl Tegernsee: Wie eine Klosterbrauerei zur Kultwirtschaft wurde

Vom Handwerker zum Hochadel: Im Tegernseer Bräustüberl finden sich die verschiedensten Gäste ein, seitdem 1675 zum ersten Mal Bier ausgeschenkt wurde. Der heutige Wirt Peter Hubert erzählt, was für ihn das Besondere ist – und was damals hier los war.
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Eine Postkarte vom Tegernsee zeigt das Bräustüberl.
Eine Postkarte vom Tegernsee zeigt das Bräustüberl. © Museum Tegernseer Tal

Bayern war 1675 noch kein Königreich (erst ab 1806) – und ist es bekanntlich auch längst nicht mehr. Die Zeiten ändern sich eben. Aber einiges überdauert selbst Jahrhunderte: so etwa das Herzogliche Bräustüberl Tegernsee. Am 22. Februar vor 350 Jahren nahm dort alles seinen Anfang.

Und zwar damit, dass das Klosterbrauhaus Tegernsee die "Churfürstliche Conzession zum Bierverschleiß" bekam, also die Erlaubnis, Bier auszuschenken. Die Geburtsstunde des "Bräustibl".

Wurde zu einer "gut frequentierten Räumlichkeit" 

Es begab sich damals so: Der Abt Bernhard Wenzl brauchte Geld, weil er eine neue barocke Klosteranlage plante. Deswegen empfahl ihm sein Pater Cellerar (der war in einem Kloster für die Finanzen zuständig), sich das "lukrative Brau- und Ausschankrecht" von Holzkirchen an den Tegernsee zu holen. Am 22. Februar 1675 war es so weit.

Zünftig und mit Musikanten ging es hier früher schon zu.
Zünftig und mit Musikanten ging es hier früher schon zu.

Das "Bräustibl" sei im Laufe der Zeit vom reinen Aufenthaltsraum für die Bräuburschen zu einer "gut frequentierten Räumlichkeit" geworden, "in der Selbstabholer ihr Feierabendbier krugweise bekamen", teilt das Bräustüberl zum Jubiläum mit. Und "mit vielen Zwischenschritten" wurde es zum richtigen Wirtshaus.

"Hier sitzen alle beieinander"

Peter Hubert ist der aktuelle Wirt, und das schon seit über 21 Jahren. Die AZ möchte wissen: Was war bisher sein schönster Moment? Gar nicht so einfach. "Einen einzelnen schönsten Moment gibt es für mich nicht – das Besondere am Bräustüberl ist die einzigartige Atmosphäre, die hier jeden Tag aufs Neue entsteht." Er führt das aus: "Hier sitzen alle beieinander: von Jung bis Alt, vom Handwerker bis zum Hochadel."

Das Wirtshaus sei geprägt von tief verwurzelten Stammgästen und unzähligen Stammtischen. "Für viele ist das Bräustüberl ein Stück Heimat – ein Ort, an den man immer wieder gerne zurückkommt, egal ob Einheimischer oder Urlauber." Und das macht freilich auch einen Wirt glücklich.

Caterina und Peter Hubert leiten das Tegernseer bereits seit 2003.
Caterina und Peter Hubert leiten das Tegernseer bereits seit 2003. © Museum Tegernseer Tal

Was hat sich alles getan, seit er 2003 übernahm? Er hat die Küche und die Sanitärbereiche erneuert, den kalten Steinboden durch Holzdielen ersetzt, die Terrasse erweitert, genauso die Speisekarte. Die liest sich wie ein Lexikon für bayerische Schmankerl.

Drauf steht zum Beispiel ein halbes Grillhendl mit Kartoffel-Gurkensalat für 14,80 Euro oder eine halbe Schweinshaxe für 13,80 Euro. Das Tegernseer Helle kostet 3,30 Euro. Dieser Bierpreis wird von den Gästen, die online eine Bewertung abgegeben haben, immer wieder positiv genannt.

Gerichte wurden früher mündlich angeboten

Wie viel die Benediktiner anfangs fürs Bier verlangt haben, sei nicht bekannt, so Hubert. Und wie schaut es mit historischen Speisekarten aus? "Gedruckte Speisekarten kamen meines Wissens erst zum Ende des 18. Jahrhunderts auf" – er meint damit generell, nicht konkret aufs Bräustüberl bezogen. "Bis dahin wurden Gerichte mündlich angeboten oder auf Tafeln geschrieben."

Ein historisches Bild zeigt Bedienungen im Bräustüberl.
Ein historisches Bild zeigt Bedienungen im Bräustüberl. © Museum Tegernseer Tal

Speisekarten seiner Wirtevorgänger seien nicht erhalten. Aber er glaubt: "Sicherlich hat das Essen in einem Brauereiausschank über lange Zeit naturgemäß nur eine untergeordnete Rolle gespielt." Eine frühere Bedienung, die in den 60er Jahren eingestellt wurde, habe aus dieser Zeit erzählt: "Das Bräustüberl bestand damals nur aus einem Gastraum, das war das heutige Große Bräustüberl. Darin saßen praktisch nur Männer. Weibliche Gäste gab es kaum."

Sechs Bedienungen arbeiteten im Bräustüberl damals

Insgesamt hätten im Bräustüberl damals sechs Bedienungen gearbeitet. "Über den Winter waren es nur zwei", erinnerte sich die Frau. Der wichtigste Rat ihrer Kollegin war demnach: "Dirndl, das ist kein normales Gasthaus, wo man gleichzeitig Essen- und Getränkebestellungen aufnimmt. Hier bringst du erst einmal das Bier. Und wenn einer auch etwas essen mag, sagt er das schon."

Zu essen gegeben habe es damals hauptsächlich Regensburger, Miesbacher, Emmentaler. Und Radi. Den schnitten die Bedienungen mit der Hand auf. Auch gespült hätten sie selber.

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Nun könnte man sich fragen: Wie schafft man mit so langer Historie den Sprung in die Moderne? Wirt Hubert sagt: "Die Herausforderung besteht darin, Bewährtes zu bewahren und gleichzeitig offen für Neues zu sein. Tradition darf nicht Stillstand bedeuten – wir achten darauf, dass sich das Bräustüberl mit der Zeit entwickelt, ohne seinen Charakter zu verlieren."

Auch auf Social Media ist das Bräustüberl aktiv

Was es früher nicht gab: Kritik im Netz. Hubert sieht das gelassen. "Kritik gehört dazu und ist wichtig, solange sie konstruktiv ist." Natürlich gebe es auch mal "ungerechtfertigte oder überzogene Bewertungen, aber die nehmen wir mit Gelassenheit".

"Entscheidend ist das große Ganze und das spiegelt sich in der langjährigen Treue unserer Gäste wider." Auch auf Social Media ist das Bräustüberl aktiv. Etwa, wenn Fitness-Influencerin Sophia Thiel, Tatort-Star Ulrike Folkerts oder US-Talker Jimmy Fallon vorbeischauen.

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Aber auch die "Normalen" kommen nicht zu kurz. Immer wieder postet das Bräustüberl zu Ehren seiner (langjährigen) Mitarbeiter Beiträge, wenn diese Geburtstag haben. Die sind eben die Alltags-Stars in einer Wirtschaft. Ohne sie geht nix.

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7 Kommentare
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  • Der Münchner am 11.02.2025 20:02 Uhr / Bewertung:

    Der erste Schub kam mit der Eisenbahn, die den Tourismus im Tegernseer Tal so richtig anschob!
    Wanderer und Schifahrer kamen aus München und besetzten unter anderem das Bräustüberl.
    Nach einem Schitag in der Gegend war der Einkehrschwung ins Bräustüberl Pflicht.
    Naja der Kutscher hat kein Bier gekriegt, der durfte nur Jagertee und Rüscherl trinken.
    Zurück in München waren wir meist wieder nüchtern.
    In den letzten Jahren entdeckten die Inlokale in München das Tegernseer für sich, da es gut war und billiger als das allerseits beliebte Wagnerbräu,
    So wurde der Gerstensaft vom Tegernsee auch der jugendlichen Münchner Bierkultur ein Begriff!
    So weit ich weis hat das Tegernseer mittlerweile eine Kooperation mit dem Wagnerbräu bei der entfernteren Auslieferung der kulinarischen Köstlichkeit!

  • Wendeltreppe am 12.02.2025 09:51 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der Münchner

    Das Tegernseer ist ja auch ein Super-Bier. Neben dem Augustiner ein Renner in fast jedem Getränkemarkt.
    Abgesehen davon ist ein Besuch im Tegernseer Bräustüberl auch jetzt noch -besonders als Münchner-immer ein Genuss. Auch wenn inzwischen meist (zu)voll, die Athmosphäre samt der "richtigen" Mischung der Gäste macht es wohl aus.

  • Der Münchner am 12.02.2025 17:20 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Wendeltreppe

    Da haben Sie Recht!
    Tegernseer und Wagnerbräu schon mit das Beste was wir haben!

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