3. "Tag der Franken“: Hüpfburgen und Ochsenköpfe
Die ganze Wahrheit über die Entstehung eines ominösen Gedenktags
Von Klaus Schamberger
Auch in früheren Zeiten haben Jahre meistens aus 365 Tagen bestanden. Aber damals sind Tage wie etwa ein Dienstag, ein Donnerstag, ja selbst, beziehungsweise vor allem, ein Sonntag an uns vorbeigebrettert wie nix. Solche Tage, zu denen man durchaus auch noch Montage, Mittwoche, Frei- und Samstage zählen kann, sind selten in unser Bewusstsein vorgedrungen, also auch nicht ins Sein. Da mögen wunderschöne Tage dabei gewesen sein, aber sie sind vergessen, verschlafen, vergeigt.
Das furchtbare Defizit im nationalen wie internationalen Tagbau hat erst in neuerer Zeit einigermaßen ausgeglichen werden können, mit der Einführung verschiedener Gedenktage. Inzwischen darf man von der völligen Komplettierung des Jahres mit Gedenktagen sprechen. Gedenktagfreie Tage gibt es nicht mehr: Muttertag, Butterbrottag, 17. Mai Welttelefontag, 31. Mai Weltnichtrauchertag, internationaler Tag der zivilen Luftfahrt, Welttoilettentag (19. November), Tag zur Erhaltung der Ozonschicht, Welttourismustag, Tag zur Erinnerung an die Beseitigung der Armut, um nur einige wenige zu nennen. Erich Kästner hat in den Fünfzigerjahren den 35. Mai erschaffen – ein Tag, an dessen Ziffern man unweigerlich spürt: Die Tage eines Jahres für Gedenktage werden knapp.
Warum wir das alles erwähnen? Es gibt einen Gedenktag, der stellt alle anderen Tage voll in den Schatten, der ragt aus dem Labyrinth der jährlich circa 600 Mahn- und Erinnerungstage heraus wie die Säule der Rot-und Weißheit. Der Tag der Franken! Und zwar Ober-, Unter- und Mittelfranken.
An was gemahnt uns jetzt dieser Tag der Franken, und wann und wo findet er statt? Er gemahnt zunächst einmal daran, dass zahlreiche Landtagsabgeordnete am Weltkantinentag (18. Mai) des Jahres 2006 in der Kantine bei Leberkäs und Brezn'n geweilt haben und dadurch die Abstimmung durch die Vegetarier in CSU und SPD über die baldige Einführung eines Tages der Franken inklusive der anschließenden Nacht glatt über die Bühne gegangen ist.
Julius Streicher hatte den „Heiligen Berg der Franken“ schon um das Jahr 1925 herum als Kultstätte entdeckt
Diskussionen über den tieferen Sinn, das genaue Datum und historische Hintergründe gibt es seitdem nur noch in Franken. Dazu muss man wissen: Dieses in Oberbayern für eine Abart des Bodennebels gehaltene Franken ist ein Land mit einem massiven Willen zur Einigkeit, jeder hat den Willen zu einer ureigenen Einigkeit. Hier, wo zigtausende Dialekte gesprochen werden, Hunderttausende verschiedene Bratwurstdarmbefüllungsrezepte existieren, Millionen von Trainern des sagenumwobenen 1. FC Nürnberg wöchentlich völlig verschiedene Mannschaften aufstellen, hier werden natürlich auch die Tage der Franken an allen möglichen Tagen gefeiert. Gestern, am 4. Juli fand der am 1. Juli zu feiernde Tag der Franken zum Beispiel im unterfränkischen Miltenberg statt, seit vorgestern. In Ochsenfurt hat der örtliche Tischtennisverein den Tag der Franken vom 27. Bis 28. Juni begangen. Unter anderem mit einer Tombola und einem Bobbycar-Race. Der eher nazionale Frankentag der NPD war möglicherweise am Ochsenkopf geplant, ist aber in die Klosterbrauerei-Gemeinde Weißenohe verlegt worden. Am 7. Juni. Die dort zu bewundernden, häufig nicht bewaldeten, kahlen Ochsenköpfe fußen auf eine Haarmode von Franken-Gauleiter Julius Streicher (1885 - 1946), dem Erfinder des Tages der Franken.
Der unter anderem auch als Pornograph und Rassenforscher tätige Streicher hatte den „Heiligen Berg der Franken“ schon um das Jahr 1925 herum als Kultstätte entdeckt und von 1933 an, immer Ende Juni, seine Braune Messe namens Frankentag jeweils vor über 100 000 sehr begeisterten Franken, später alle Widerstandskämpfer, gelesen. Damals sind zum Bier auch schon schöne Lieder gesungen worden, wie zum Beispiel „Sieh, auf des Hesselbergs Höh’n, erstrahlet ein Feuerzeichen. Sie rufen in fränkische Lande hinein: Die Nacht muss dem Tag weichen. Auf Deutschland, du schönes. Du heiliges Land, Erwache zu neuem Leben. Dem Führer, den dir der Höchste gesandt, ihm folge durch Sterben und Leben.“
Statt auf die fränkisch-schwäbische Reichsglatze beruft man sich jetzt auf den Reichsgreis
Die jetzigen Schöpfer des Frankentags haben aber schon einmal durch eine kunstvolle Wortumstellung eine ganz klare Remarkationslinie gezogen: Statt Frankentag Tag der Franken. Und statt auf die fränkisch-schwäbische Reichsglatze beruft man sich jetzt auf den Reichsgreis, beziehungsweise Kreis, der am 1. Juli des Jahres 1500, vermutlich um 9.30 Uhr, am Reichstag von Augsburg ins Leben gerufen worden ist. Bis er 1806 das Zeitliche gesegnet hat.
Nicht nur, dass sich also in Zukunft jeder raussuchen kann, an welchem Tag und mit welcher Tombola der Tag der Franken gefeiert wird - man kann auch den historischen Anlass frank und frei wählen: Streicher, Reichsgreis, Freie Bundesrepublik Franken, Freibier, Bobbycar-Race. Und wie wir uns Franken kennen, wird es in nicht allzu ferner Zukunft an die 365 Tage der Franken geben: Tag der Oberfranken, Tag der Hochfranken, Tag der Churfranken, Tag der Mittelfranken, Tag der Unterfranken, Tag der fränkischen Thüringer, Tag der versprengten Franken in Württemberg, Tag der Untergrundfranken in München bis hin zu den Schweizer Franken, und gefeiert wird auf 365 vielstimmige Beschlüsse der fränkischen Freistaatskanzlei vom 35. Mai bis 400. Juli auf allen staatlichen Hüpfburgen.