25.000 Nürnberger nehmen Drogen

Und Banden verdienen sich eine goldene Nase. Geschätzer Umsatz: 100 Millionen pro Jahr.
NÜRNBERG Drogen – dieses Geschäft kennt keine Absatzkrise. Nicht in Asien, nicht in Amerika, nicht in Deutschland, nicht in Nürnberg. Global arbeitende kriminelle Banden sorgen dafür, dass der Stoff, aus dem die Träume sind, auch bei uns nicht ausgeht. 25.000 Nürnberger, so hat das Bundesgesundheitsministerium von Experten hochrechnen lassen, kommen regelmäßig mit Drogen in Berührung. Ein Bombengeschäft für die Dealer.
Rund 5000 einzelne Drogendelikte deckt die mittelfränkische Polizei pro Jahr auf. 13 Kilo Haschisch, elf Kilo Marihuana, sechs Kilo Aufputschmittel, ein Kilo Heroin, genau so viel Kokain, 2000 Ecstacy-Tabletten haben die Beamten zum Beispiel 2007 in Nürnberg sicherstellen können. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges. „In diese Zahl ist nicht eingerechnet, wie viel dem LKA und dem Zoll in die Hände fiel, was die Schleierfahnder auf den Autobahnen aus dem Verkehr zogen“, rückt ein Nürnberger Rauschgift-Fahnder die Relationen zurecht. Es ist ein Vielfaches der sichergestellten Menge.
Wie viel Rauschgift in Nürnberg unterwegs ist, weiß keiner ganz genau. Eine Expertengruppe, die sich aus Wissenschaftlern und Praktikern zusammensetzt, hat immerhin eine Hausnummer genannt. 100 bis 200 Euro, multipliziert mit der Einwohnerzahl, ergibt den ungefähren Umsatz. Für Nürnberg wären das 50 bis 100 Millionen Euro pro Jahr.
„An Marihuana zu kommen, ist doch überhaupt kein Problem“
Ein Blick in die Polizeistatistik offenbart immerhin, wer sich mit den Drogen eine goldene Nase verdient. Bis zur Öffnung des Eisernen Vorhangs spielte die Ostblockstaaten keine nennenswerte Rolle. Der Handel mit Heroin wurde vornehmlich von der Türkei aus dirigiert. Das ist inzwischen anders geworden. Banden aus den ehemaligen Sowjetstaaten geben jetzt den Ton an. Sie transportieren Heroin von Afghanistan in den Westen. Ein Anzeichen dafür, dass mehr und hochwertiges Heroin auf dem Markt ist, zeigt die ansteigende Kurve der Drogentoten. 19 starben allein in Nürnberg im letzten Jahr. Im Jahr zuvor waren es nur 13.
Auffallend hoch ist bei den Drogendealern auch der Anteil von Tschechen und Polen. „Dort werden vor allem synthetische Drogen hergestellt“, gibt ein Kripomann seine Erfahrungen wieder. Die Großstadt Nürnberg, nur eine gute Autostunde von der tschechischen Grenze entfernt, ist für diese Zwecke eine ideale Anlaufstelle. Immer wieder gehen den zivilen Fahndern, die den Verkehr auf den Autobahnen gezielt überwachen, Drogentransporteure aus dem Osten ins Netz. Genauso wie Haschisch- und Marihuanatransporte aus Holland. Dort werden die berauschenden Pflanzen tonnenweise in riesigen Plantagen gezüchtet – und im gesamten Europa verteilt. „An Marihuana zu kommen, ist doch überhaupt kein Problem“, versichert ein Nürnberger Schüler (17), der es nach eigenen Angaben regelmäßig raucht.
Von einem „gleichbleibend hohen Niveau“ sprechen die Justizbehörden, wo diejenigen landen, die sich erwischen ließen. Die Sitzungspläne für Nürnbergs Amts- und Landgericht offenbaren, wo es lang geht. Allein in der kommenden Woche finden dort 16 Prozesse wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz statt. „Das ist eine völlig normale Größe“, versichert ein Richter, der oft mit derartigen Fällen zu tun hat.
Helmut Reister
Warum der Schlot der Nürnberger Müllverbrennung Nürnbergs größter Joint ist, lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Donnerstag, 26. Februar.