10 Tote in Franken: Die Killer-Droge aus dem Altersheim

Fentanyl: Das starke Schmerzmittel erobert die Nürnberger Junkie-Szene. Die Dosis ist nicht berechenbar.
NÜRNBERG Für Menschen, die an starken Schmerzen leiden, ist „Fentanyl“ beinahe ein Göttergeschenk. Der synthetische Schmerzkiller, 100 Mal stärker als Morphium, hat aber auch eine ganz andere Kundschaft gefunden: Junkies. Die jagen sich den Stoff in die Venen – und starten ein gefährliches Spiel mit dem Tod!
„Es ist unverkennbar, dass die Zahl der Konsumenten von Fentanyl kontinuierlich ansteigt“, stellt ein Toxikologe des Nürnberger Klinikums fest. Bei ihm in der Intensivstation landen immer häufiger vornehmlich junge Menschen, die nach dem Genuss des Schmerz-Hammers bewusstlos zusammengebrochen sind und um ihr Leben kämpfen.
Auch die Fahnder der Nürnberger Kripo beobachten den neuen Trend auf dem Drogenmarkt mit erkennbarer Sorge. Polizeisprecher Bert Rauenbusch: „In diesem Jahr sind allein in Nürnberg vermutlich vier Menschen nach dem Illegalen Gebrauch des Schmerzmittels gestorben. In zwei Fällen steht es definitiv fest, bei zwei weiteren Fällen steht das toxikologische Gutachten noch aus. Doch auch in diesen beiden Fällen deuten alle äußeren Umstände auf den Missbrauch von Fentanyl hin.“
Die Pflaster werden aufgeschnitten und ausgekocht
Insgesamt haben schon zehn junge Menschen in Franken den Fentanyl-Missbrauch mit ihrem Leben bezahlt. Darunter ist auch eine vierfache Mutter (30) aus der Nähe von Kulmbach (Oberfranken). Ein 19-jähriger aus dem Kreis Nürnberger Land starb, weil er sich gleich mehrere „Fentanyl“-Pflaster auf die Haut geklebt hatte. Bis dahin war er noch nie als Drogenkonsument in Erscheinung getreten.
Die auf die Haut geklebten „Fentanyl“-Streifen, über die der Wirkstoff sukzessive und über einen längeren Zeitraum in den Körper gelangt, sind für chronische Schmerzpatienten ideal. Harte Junkies müssen dagegen einen Umweg beschreiten. Ein Ermittler. „Die Pflaster werden aufgeschnitten und dann ausgekocht, um an das Fentanyl schnell heranzukommen. Dann wird es von Junkies mit Ascorbinsäure aufgelöst und injiziert. Das Problem für sie ist, dass die Dosis nicht berechenbar ist“, erklärt ein Ermittler.
Nachforschungen in Zusammenhang mit den Todesfällen bestärken die Vermittler in ihrem Verdacht, dass sich inzwischen ein regelrechter illegaler Markt für Fentanyl gebildet hat. Das Medikament zählt zu den Betäubungsmitteln und ist legal nur schwer zu bekommen. Ein Staatsanwalt sagte zur AZ:„In Alten- und Pflegeheimen wird es oft eingesetzt. Gut möglich, dass der illegale Markt aus diesen Quellen gespeist wird. Dafür gibt es einige Hinweise.“
Helmut Reister
Mehr über Fentanyl lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Freitag, 6. November